Abgefahren | Das verarmte Königreich

ABGEFAHREN! Die Ski-Reporter von Reise-Stories.de unterwegs im Schnee. Jede Woche wieder! Um aktuell zu schildern, wie es auf den Pisten des Stubaier Gletschers gerade aussieht.  Dieses Mal: So war es am Stubaier Gletscher am vergangenen Wochenende!

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Foto oben:
Die neue 3S-Bahn fährt in nur elf Minuten vom Tal auf den Stubaier Gletscher. Der scheint angesichts Schneearmut und Skifahreransturm derzeit einigermaßen überfordert.

Fotocredit & Copyright:
Heiner Sieger

Text:
Heiner Sieger

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Hilfe! Kein Schnee in den Bergen! Oder besser gesagt: So gut wie kein Schnee, zumindest nicht unter 2500 Höhenmetern. Kein Wunder, dass sich die Skifahrer massenhaft auf die Gletscher stürzen, um auf ihre Kosten zu kommen. Etwa zweieinhalb Autostunden von München, beziehungsweise ein Stunde vom Flughafen Innsbruck entfernt, liegt der Stubaier Gletscher, auch in schneearmen Zeiten in der Regel ein Garant für erquickliches Schwingen auf weißem Untergrund. „Königreich des Schnees“ nennt sich das Skigebiet nicht von ungefähr. Also nichts wie hin. Einen halben Kilometer vor dem Parkplatz der Talstation beginnt der Stau. Die Ordner arbeiten nicht wirklich ökonomisch. Auf Radio Ö3 zwitschert derweil die Sprecherin: „Wenn Sie gerade zum Skifahren unterwegs sind, zum Beispiel zum Stubaital, können Sie sich auf einen wunderschönen sonnigen Skitag freuen!“ Na bitte, alles richtig gemacht. Gletscher, ich komme!

Wichtigste Ader des Liftbetriebs hinauf ins Königreich ist seit dem 22.Oktober 2016 die neue 3S-Eisgratbahn. Mit 4,7 Kilometern Strecke ist die von LEITNER ropeways installierte Bahn die längste 3S-Bahn der Alpen. Mit einer beeindruckenden Geschwindigkeit von 25 Stundenkilometern, beziehungsweise sieben Metern pro Sekunde, schießt sie von der neuen Talstation auf 1.697 Metern und einem Zwischenstopp an der Mittelstation förmlich über 1.200 Höhenmeter bis zur Bergstation Eisgrat auf 2.900 Metern hinauf – in knapp elf Minuten. Mit rund 3.000 Personen pro Stunde befördert sie doppelt so viele Gäste wie ihr Vorgänger, die nach 43 Jahren ausgemusterte Eisgrat-Kabinenbahn. Die 48 Kabinen bieten neben acht Stehplätzen auch 24 Sitzplätze in Leder sowie Gratis-WLAN, das aber noch nicht ausgereift zu sein scheint.

Was die Ö3-Sprecherin nicht gesagt hat, wahrscheinlich auch nicht weiß:  Im Dezember 2016 ist sogar das Winter-Königreich Stubai einigermaßen verarmt. Das ist schon bei der Auffahrt nicht zu übersehen. Ein trockener Herbst und warme Temperaturen haben das Schneepolster gehörig schmelzen lassen. Die gute Nachricht lautet immerhin: Skifahren ist möglich. Allerdings auf zahlreichen Pisten leider mehr schlecht als recht. Abseits der Pisten auszureiten ist derzeit wenig empfehlenswert. An vielen Stellen ragen noch Steine oder kleinere Felsen hervor. Auf den Pisten selbst können auch die Schneekanonen nur punktuell den Schneeschwund aufhalten. Ihre wichtigste Quelle, der  Speichersee ist fast leer. Die Folge: Zahlreiche Pisten sind enorm vereist. Man muss über weite Strecken, vorsichtig, mit hoher Konzentration und viel Druck auf der Kante des Talskis fahren, damit es einen nicht immer wieder aushebt. Und weil eben auch tausende andere Skifahrer an diesem Wochenende ihrem Hobby nachgehen wollen, sind die Pisten mehr als gut befahren. Drangvolle Enge ist noch vorsichtig ausgedrückt. Einige, wie die anspruchsvolle schwarze Abfahrt 22 vom Daunkopf zur Bergstation der 3S-Bahn oder die geplante neue Talabfahrt von dort zur Eisgrat-Talstation sind geschlossen oder existieren einfach nicht. Ohne Schnee geht eben nichts.

Dennoch: Wer suchet, der findet. Zum Beispiel die einzige schwarze Piste an der Daunscharte, etwa 800 Meter lang. Wermutstropfen ist die lange Wartezeit von  mehr als zehn Minuten vor dem Schlepplift. Ähnlich ist es auch am Snowpark unterhalb der Schaufelspitze. Der Schlepper Gamskarferner ist nur über die obere Hälfte geöffnet und der Einstieg in die blaue Piste komplett vereist. Beliebt ist auch der Schlepper Windachferner, der von der Schaufelspitze in westliche Richtung führt. Die etwa 500 Meter kurze  blaue Piste 6 liegt ab Mittag bis zum Pistenschluss in der Sonne und ist entsprechend frequentiert. Den mit Abstand größten Fahrspaß bietet an diesem Wochenende die breite blaue Piste 10 am 6-er Sessellift Fernau, die am Jungfrauenbödele startet. Hier hüpft  das Skifahrerherz vor Freude, denn auch abseits der Piste lassen sich einige schöne Buckel genießen. Ab etwa 14 Uhr liegt die Piste allerdings im Schatten.

Die längsten Abfahrten bieten die rote Piste 2 von der Bergstation 3S auf 2900 Metern zur Mittelstation und die rote Piste 3, die vom Gamsgarten ebenfalls zur Mittelstation führt, mit etwa drei Kilometern. Aber wie gesagt: Immer wieder vermiesen fiese Eisplatten den Fahrspaß.

Mittagsteller im Restaurant Goldene Gams: Tiroler Gröstl mit Mini-Krautsalat
Mittagsteller im Restaurant Goldene Gams: Tiroler Gröstl mit Mini-Krautsalat

Nicht wirklich eine Entschädigung bietet die Mittagsrast im Restaurant Goldene Gams in der Bergstation des Eisgrats, das wie die Pisten vom Ansturm der Skifahrer einigermaßen überfordert zu sein scheint. Der am Samstagmittag zum Aufwärmen bestellte Kräutertee kommt überhaupt nicht, das Paulaner Weißbier (4,50 Euro) immerhin nach gut 20 Minuten. Die Schmugglerpfanne (14 Euro) ist eher eine Enttäuschung – die zwei darin enthaltenen Schweinerückensteaks sind genauso trocken wie die Spätzle, die Pilzsauce spärlich und das Ganze leider nur lauwarm. Das Tiroler Gröstl ist geschmacklich bescheiden – mit wenig Fleisch, ohne Speck und einem traurigen Krautsalat als Beilage, der nicht mehr als zwei Gabeln hergibt. „Es tut mir leid, aber das ist heute der schlimmste Tag, den ich hier oben bislang erlebt habe“, entschuldigt sich Restaurantleiter Manuel immerhin mit einem gut gemeinten Zirbenschnaps.

Jeder hat eine zweite Chance verdient. Sobald es endlich mal schneit, wird auch das Königreich am Stubaier Gletscher seine Reize voll ausspielen können. Doch das scheint – leider – noch ein paar Wochen zu dauern. Hoffentlich kommt dann auch die Küche auf Touren.

 

Infos:

Spezielle Stubaital-Ski-Packages via
www.stubaital.at

Stubaier Gletscherbahn:
www.stubaier-gletscher.com

Region und Land:
www.tirol.at
www.austria.info

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Hinweis: Dieser Beitrag wird regelmäßig von Mitgliedern der Reise-Stories Redaktion wie Heiner Sieger, Gerhard Fuhrmann und Jupp Suttner auf Richtigkeit und Vollständigkeit geprüft. Falls Sie Anmerkungen zu diesem Beitrag haben, kontaktieren Sie bitte direkt hier die Redaktion.

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