Da lacht mich Igor an und strahlt über beide Ohren. Er ist Reiseleiter. Der Kroate aus der Stadt Vukovar an der Donau kann heute fröhlich in de Zukunft blicken. Denn sein Land und die Region Vukovar-Syrmien, wie auch das Nachbargebiet Slavonien blicken in eine friedliche Zukunft.
Das war nicht immer so. Denn Igor erinnert sich genau, wie er als Jugendlicher infolge des Kroatienkrieges Ende der 1980er Jahre bis 1991 seine Heimat verlassen musste und in Österreich unterkam. Viele Zeugnisse in seiner Stadt erinnern noch an die Auseinandersetzungen zwischen Kroaten und Serben in jenen Tagen. Ich besteige das Wahrzeichen der Stadt, den 50,33 Meter hohen und markant geformten Wasserturm am Rande der Stadt und blicke über die weit ausrollende Gegend der Donau bis hinüber nach Serbien. Im Zentrum sehe ich den Franjo-Tudman-Platz, benannt nach dem ersten kroatischen Präsidenten, mit dem dortigen etwas kleineren Wasserturm und den Ruinen eines ehemaligen Hotels, das man als Mahnmal stehen ließ. Mahnmale gibt es zahlreich in der Stadt. Bereits bei der Einfahrt ins Zentrum fahre ich am ehemaligen Bahnhofsgebäude von Vukovar vorbei, heute eine Ruine.
Auch der Wasserturm, auf dem ich stehe, zeigt noch deutlich die Spuren des Beschusses im Kroatienkrieg. Den Begriff Balkankrieg hört man hier nicht gerne. Man möchte nicht mit Serbien als Balkanland in Verbindung gebracht werden, erklärt mir Igor, man nennt es hier „Heimatkrieg“.
Viele Gedenkstätten hat die Stadt, wie das Mahnmal Ovcara an der Stelle eines ehemaligen Krankenhauses, die an die Belagerung erinnern.
Dennoch gibt es hier viel mehr zu erleben. In der Nachmittagssonne schlendere ich durch die gut restaurierte Altstadt, besuche das detailreich renovierte Schloss Eltz, in dem sich das interessant gestaltete Heimatmuseum des Ortes befindet. Die Kirche der Heiligen Philip und Jakob und das Franziskanerkloster ziehen mich ebenso an, wie der Donau-Hafen, an dem heute Kreuzfahrtschiffe anlanden. Der Tourismus ist zurück gekehrt, wie auch Igor vor vielen Jahren zurück kam.
Das ist längst nicht bei allen Einwohnern, die vor dem Krieg geflohen sind, der Fall. Viele Häuser in Vukovar und Umgebung stehen leer oder sind verfallen. Als Igor zurück aus Österreich kam zum Haus seiner Großeltern, wohnte dort ein Serbe, der das Haus billig erworben hatte. Als der erfuhr, dass er es an Igor zurückgeben musste, zerstörte er das Anwesen und machte es unbewohnbar. Igor ließ sich nicht abschrecken. Seine Heimat war im wichtig. Obwohl er noch heute, wenn er durch die Straßen Vukovars geht, häufig von der Erinnerung eingeholt wird, wo er welche Massaker erlebt hat, ist er stark genug, diese Erlebnisse zu verarbeiten. Vukovar ist heute friedlich, es kommen auch Reisende aus dem benachbarten Serbien, erzählt er. Und viele andere Besucher aus ganz Europa und Amerika. Ohne Frieden, keine Zukunft, schließt Igor seine Erzählung. Vukovar hat viel zu bieten und erfreut sich bei Touristen zunehmender Beliebtheit. Es ist schön, Frieden zu haben, lacht der Kroate und weiß wohl, wie recht er hat in diesen Tagen.
Slavonien – die erlebnisreiche Region im Dreiländereck
Beeindruckt von Igors Worten zieht es mich weiter durch das Land. Im fein herausgeputzten Örtchen Dakovo besuche ich die mächtige Kathedrale St. Peter, die einst Bischof Josip Juraj Strossmayer 1866 in 16 Jahren dort errichten ließ, ziehe weiter zum beeindruckend erbauten Museum der Vučedol-Kultur, in dem in einer serpentinen-artigen Bauweise die Früh-und Urgeschichte der Region bis zur Gegenwart sehr anschaulich mit Fundstücken der Archäologie dargestellt wird.
Und immer wieder begegnet mir der Wein in dieser fruchtbaren Region, der hier bestens gedeiht. Denn das Klima in Slavonien ist kontinental, weist aber eine Besonderheit auf: Im Herbst ist es in der Regel wärmer als im Frühjahr. Für die Qualität des Leseguts ist dieser Aspekt von großer Bedeutung, denn so können die Trauben ungestört ausreifen und die Konzentration von Aromen und Zucker in den Weinbeeren fällt sehr hoch aus. Es ist vor allem Weißwein, der Graševina, auch Welschriesling genannt, aber auch der Traminer, der hier in zahlreichen Kellern produziert wird in beachtenswerten Mengen. Etwas weniger, aber durchaus nennenswert ist der Cabernet Franc oder Cabernet Sauvignon und Merlot die als Rotweine vorkommen. Wie gut, dass immer das passende Gericht zum Wein bereit steht, denke ich mir. Den Fisch, das ist vor allem Zander und Wels, aber auch deftiges Fleisch, wie etwa die Schulter vom schwarzen, kroatischen Schwein stehen gerne auf der Speisekarte und erfreuen den Gast ebenso wie eine ordentliche Portion frisch zubereiteten Ajvar, gekocht in großen Töpfen aus frischer Paprika.
Entspannung im Kopački rit Naturpark
Wer gut speist, genießt und trinkt, braucht auch Entspannung. Am besten in der Natur. Was liegt in Slavonien da nächer als der Naturpark Kopački rit? Eine bedächtige Bootsfahrt durch die Kanäle der Wälder des Parks lassen mich gedanklich zu Mangrovenwäldern in den Tropen schweifen. Ein Eisvogel kreuzt blauschimmernd und laut protestierend den Weg meines Bootes. Eine Schwar von weißen Kranichen fliegt auf und setzt sich auf den Ästen niedergestürzter Bäume im Wasser. Ein Seeadler kreist hoch über meinem Kopf und es entsteht eine einzigartige Symbiose zwischen mir und der unberührten Natur, die mich mit ihrem tiefen grün aufsaugt. Entspannung breitet sich aus, Ruhe, weitab der Zivilisation.
Royale Pferde, traditionelles Handwerk und ein königlicher Ausblick am Dreiländereck
Den nächsten Tag beginne ich königlich. Denn ich besuche schon morgens das berühmte Lipizzaner-Gestüt in Dakovo. Majestätisch kommen die weißen Pferde daher, die hier trainiert werden in den Stallungen. Und königlich ist diese alte, seit 1786 existierende Pferderasse, die ihren Namen dem Gestüt Lipicia im Land Slowenien verdankt, wahrlich. Die meisten Tiere dieser Rasse sind Schimmel und sind bekannt für ihren Einsatz an der spanischen Hofreitschule in Wien. In der Schule in Dakovo reicht die Tradition der Pferdezucht bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts zurück. Ich besichtige den Hengststall, den Pastuharna und bewundere die eigentlich recht klein gewachsenen, aber kräftigen Tiere, die ab einem Alter von 11 Monaten dressiert werden. Hier erfahre ich auch, dass die Pferde ursprünglich grau, manchmal sogar schwarz sind und erst ab einem Alter von 6 Jahren weiß werden.
Ganz anders und regelrecht bodenständig als konträres Programm verläuft mein Besuch beim Töpfer Daniel Asztalos. Der ungarisch-stämmige Tonkünstler ist eine wahre Frohnatur, der sein Handwerk liebt und gerne zeigt. Meistens hat er amerikanische Gruppen bei sich im Dorf Suza zu Gast, die in dem kleinen Haus mit riesigem Garten die Vorführung der Töpferkunst erleben und dann selbst auch Hand anlegen dürfen, um sich ihr eigenes Gefäß zu formen. Daniel macht daraus immer einen kleinen Wettbewerb und erzählt, wie er die besten 3 Stücke am Ende prämiert. Ich verfolge erstaunt den Wandel aus einem braunen Stück Ton zu einer sehenswerten Schale, einer Tasse, die dann zu einem kunstvollen Schwein geformt wird. Daniel liebt sein Handwerk, der Ton ist eins mit ihm in seinen Händen. Er formt, spielt, spricht und spaßt mit seinen Gästen. Es ist das reine Vergnügen, ihm zuzusehen.
Bevor ich endlich in die Regions-Hauptstadt Osijek gelange, halte ich noch an einem sehr markanten Punkt der Region. Es ist die Gedenkstätte im Dorf Baranja. Wieder ein Krieg, diesmal der 2. Weltkrieg und die Schlacht von 1944. Imposant ist die Säule und das Denkmal, das daran erinnert. Doch vielmehr reizt mich hier die Landschaft und die geographische Besonderheit. Denn Batina liegt auf einem Hügel in der Region Baranja an der Donau genau im Dreiländereck zu Ungarn und Serbien. Atemberaubend ist der Ausblick hinüber nach rechts und links von kroatischer Seite. Wo einst fast 1300 Menschen ihr Leben verloren in einer Schlacht der Roten Armee zusammen mit der jugoslawischen Befreiungsarmee gegen die Deutschen, ist heute ein Ort der Ruhe und der malerischen Natur. Meine Gedanken gehen zurück an Igor. Es ist schön, Frieden zu haben.
Osijek – pulsierende Metropole in Slavonien
Meine Reise führt mich dorthin, wo ich vor einigen Tagen mit dem Flugzeug gelandet bin. Nach Osijek, die prächtig herausgeputzte Metropole, die nicht an der Donau, sondern am Fluss Drau liegt. Ich beginne meinen Spaziergang beim Elefanten. So nennt man den Treffpunkt direkt neben der Kathedrale Peter und Paul am Hauptplatz des Zentrums. Die Figur eines Elefanten thront hier auf einem Sockel an einem Gebäude, dass im 19. Jahrhundert einem Immobilienmakler gehörte, er setzte den Elefant über seinen Eingang. Heute ist das Tier ein beliebter Treffpunkt, um einen Stadtbummel zu beginnen. Ich schlendere vorbei am Theater, das in gelb daher kommt und just neben einem bekannten, amerikanischen Fastfood-Restaurant liegt, das aber das Theater nach dem Krieg maßgeblich restauriert hat. Da muss man wohl mit der Nachbarschaft von Kultur und Kulturlosigkeit leben, denke ich bei mir. Ich erreiche die Straße des Jugendstils, die Europäische Avenue. Prachtvoll restauriert, aber auch mit dem Charme des Verfalls behaftet, treffe ich hier atemberaubende Beispiele des europäischen Jungendstils an, die 1904-1905 errichtet wurde. Mein Weg führt mich zur barocken Festungsanlage Trvda, die auf eine wechselvolle Geschichte seit ihrer Entstehung im ausgehenden 14. Jahrhundert zurückblickt. Erobert von den Osmanen 1526, stand sie ab 1687 nach ihrer Rückeroberung unter österreichisch-ungarischer Kontrolle. Heute bilden die teils noch vorhandenen Festungswälle den Eingang zur Altstadt von Osijek, in der abends das Leben in den zahlreichen Kneipen pulsiert. Die Bastion und Festungsmauer sind abends malerisch angeleuchtet und bilden ein gutes Pondon zur ebenfalls in kitschig-schönen Farben erleuchteten Fußgängerbrücke über die Drau, die sich zu einem echten Wahrzeichen der Stadt entwickelt hat.
Osijek hat viel zu bieten und die Spuren des Krieges sind hier nicht so zu sehen, wie in Vukovar. Die Metropole an der Drau zieht viele junge Leute an, wie ich bei meinem Spaziergang bemerken kann.
Sinnierend über die letzten, spannenden Tage in einer Region, die abseits der großen Touristenströme in Kroatien liegt, blicke ich vom 10. Stock meines Hotels auf den Sonnenaufgang über der Drau und die malerisch aufsteigenden Nebel am anderen Drau-Ufer. Viel hat diese Gegend zu bieten und noch mehr lässt sich erleben, erfahren und nachvollziehen, hier in Slavonien und Vukovar im Dreiländereck Kroatiens.
Kurz notiert
Wie kommt man hin?
Mit dem Flugzeug erreicht man Osijek ab München mit Croatia Airlines https://www.croatiaairlines.com/
Aucb mit dem Auto gelangt man von Deutschland aus durch Öterreich und Ungarn in die Region Slavonien.
Unterkunft:
Gut wohnen lässt es sich in Osijek im Hotel Osijek
Stilvoll wohnt es sich auch auf dem Weingut in Ilok in frisch renovierten Appartements
Restaurants:
Zahlreiche Restaurants verschiedender Küchen und Klassifizierungen findet man in der ganzen Region:
Auf einem Schiff am Drau-Ufer in Osiejk-Zentrum: Projekt 9, ein sehr gutes Fischrestaurant https://www.projekt9.hr/
Hochklassig und modern speist man in Osiek im Restaurant Čingi lingi čarda https://www.facebook.com/cingilingicarda/?locale=hr_HR
Bodenständig isst man im Restaurant Baranjska kuća Ort Karanac in einer landwirtschaftlichen Küche, wo Fisch und Ajvar gekocht werden wie zu Großmutters Zeiten
Im Ort Zmajevac speist und genießt man landestypisch im Weinkeller mit Lokal Josic
Bodenständig speist man auch wie bei Muttern in Vukovar im Restaurant Gondola Sotin
Aktivitäten und Wein:
Töpferei https://www.facebook.com/profile.php?id=100057379663509
Vučedol Culture Museum https://vucedol.hr/
Museum Schloß Eltz
Lipizzaner-Gestüt Dakovo https://ergela-djakovo.hr/de/
Kopački rit Natur Park https://pp-kopacki-rit.hr/index-en.html
Weinkeller Belje: https://shop.belje.hr/
Tipp: In der Region des Dreiländerecks sollte man auf seinem Handy den Mobilfunkanbieter in den Einstellungen unbedingt manuell auswählen und dabei einen kroatischen Anbieter wählen. Sonst kann es passieren, dass sich das Gerät in das naheliegende, serbische Netz einwählt und hohe Kosten nach sich zieht.
Diese Reise wurde durchgeführt mit freundlicher Unterstützung von www.kroatien.hr
Text und Bilder: Philip Duckwitz