Auf den Spuren Caspar David Friedrichs: die Klosterruine Oybin im Zittauer Gebirge

Caspar David Friedrich (1774-1840) verbrachte die meiste Zeit seines Lebens in Dresden. Von hier aus wanderte er viel. Schon Kutschfahrten waren ihm zu schnell! 2024 jährt sich sein Geburtstag zum 250. Mal. Das anstehende Jubiläum bietet vielfältige Anlässe, auf den Spuren des romantischen Malers zu wandeln. Zum Beispiel im Zittauer Gebirge, wo Caspar David Friedrich im Sommer 1810 unterwegs war.

Mit dabei: sein Dresdener Künstlerfreund Georg Friedrich Kersting. Am 4. Juli bestiegen die beiden den Berg Oybin, ein beeindruckendes Sandsteinmassiv in einem von Vulkanen umringten Talkessel. Die mittelalterliche Klosterruine auf dem Felsplateau des Oybin beeindruckte Caspar David Friedrich nachhaltig. Mehrmals verwendete er sie als Motiv, etwa in seinem berühmten Bild „Der Träumer“.

Berg Oybin, Historische Postkarte 1919
Deutsche Fotothek / Brück und Sohn (Public Domain)

Anreise mit der Zittauer Schmalspurbahn

Heute liegt die Gegend, die einst zum Böhmischen Königreich gehörte, im Dreiländereck Deutschland-Polen-Tschechien. In den Kurort Oybin kann man von Zittau aus mit der historischen Schmalspurbahn anreisen. Eine Dampflok bewältigt die zwölf Kilometer in 45 Minuten. Ein Museum zur Geschichte der Bahn befindet sich in Oybin direkt neben dem Bahnhof.

Der herzlich betreute Speisewagen, wo auch hiesige Kräuterliköre serviert werden, lässt die Konkurrenz von der Deutschen Bahn alt aussehen. Beliebt sind aber auch die Plätze im offenen Aussichtswagen, von wo aus man die lauschige Mittelgebirgslandschaft bewundern kann.

Das Hausgrundtal (Foto: Antje Rößler)

In Oybin angekommen, spazieren wir zunächst durch das steile Hausgrundtal, vorbei an einem stillen Teich. Dann geht es bergauf; zwischen Sandsteinklippen und den Fundamenten der Burg. Schließlich sind drei Tore zu durchqueren, um in die Ruine zu gelangen. Von romantischer Waldeinsamkeit ist hier oben keine Spur, zumal im Burghof gerade ein Kinderfest stattfindet. Getümmel herrscht auch im historischen Berggasthof mit seinem Rittersaal, wo schon Könige und Fürsten speisten. Aber all der Trubel stört nicht die andächtige Stimmung, die in der steil aufragenden Ruine der Klosterkirche aufkommt. Unmittelbar am Felsabgrund verläuft der Kreuzgang.

Der Kreuzgang (Foto: Antje Rößler)

Von der Burg zur Ruine

Im frühen 14. Jahrhundert wurde die Burg ausgebaut, um zwei über den Gebirgspass führende Handelsstraßen zu schützen. Gleich daneben stiftete Karl IV., böhmischer König und deutscher Kaiser, ein Kloster mitsamt imposanter Kirche für den Orden der Cölestiner. Sechs bis zwölf Mönche lebten hier.

Zwei Jahrhunderte lang existierten Burg und Kloster nebeneinander – bis die Reformation dem Klosterleben ein Ende setze. 1577 fiel die verwaiste Anlage einem Blitzschlag zum Opfer; hundert Jahre später riss ein Felsabbruch die Bauten neben der Kirche in den Abgrund.

Bald erregten die überwucherten Ruinen das Interesse der Maler. Als erster kam im frühen 18. Jahrhundert der Dresdener Hofmaler Johann Alexander Thiele. Wie beeindruckt einige Jahrzehnte später Caspar David Friedrich von der Klosterruine war, belegt nicht nur eine aquarellierte Zeichnung, die er gleich vor Ort anfertigte, sondern vor allem die Tatsache, dass er mehrfach und noch Jahre später auf dieses Motiv zurückgriff.

Die einstige Klosterkirche (Foto: Antje Rößler)

Immer wieder malt C. D. Friedrich den Oybin

Zwei Jahre nach seinem Aufstieg auf den Oybin malte Friedrich die drei gotischen Fensteröffnungen der Kirchenruine vor dem leuchtenden Abendhimmel. Zwei Jahrzehnte später entstand sein Gemälde „Huttens Grab“. Hier stellt sich Friedrich selbst in der Ruine dar, am Grab des Humanisten Ulrich von Hutten.

Und noch 1840, als 66-Jähriger, widmete sich Friedrich dem Oybin in seinem Gemälde „Der Träumer“. In einer gotischen Fensteröffnung sitzt hier ein Mann, der versonnen die schlanken Fichten im Abendrot betrachtet.

Seit 1883 befindet sich im einstigen Wohnturm der Herren von Zittau, dem ältesten Gebäude der Burg, ein Museum. Zu sehen sind hier Ausgrabungsfunde, prächtige historische Ofenkacheln, ein Burgmodell oder alte Fotografien. Alfred Moschkau, Gründer des Museums, ist nebenan auf dem noch heute bewirtschafteten Bergfriedhof bestattet.

Wanderin auf C. D. Friedrichs Spuren (Foto: Antje Rößler)

Beim Abstieg werfen wir einen Blick in die barocke Bergkirche, die mit steilem Gefälle am Fuß des Oybin errichtet wurde. Die Grisaille-Bilder an den Emporen und an der Decke erinnern an die hiesigen Damastweber, die ihre Vorlagen Grau in Grau zeichneten.

Nach dem Dreißigjährigen Krieg hatte die Region durch die Leinenproduktion eine Blütezeit erlebt. Daher konnte man es sich leisten, die überwucherte Burgruine auf dem Oybin für Ausflügler zugänglich zu machen.

Kulturhistorische Reichtümer in Zittau

Im nahegelegenen Zittau zeugen zahlreiche barocke Häuser und Brunnen vom einstigen Wohlstand. In jener Zeit wurde auch der Grundstock für die großartigen Sammlungen der Städtischen Museen Zittau gelegt, die heute im ehemaligen Franziskanerkloster zu sehen sind.

Die Klosterkirche (Foto: Antje Rößler)

Bemerkenswert ist die „Wunderkammer“, ein Raritätenkabinett im barocken Bibliotheksaal. Hier sind all jene Kuriositäten versammelt, die Händler, Krieger oder Weltenbummler vergangener Jahrhunderte aus der Ferne mitbrachten: Straußenei und Schildkrötenpanzer, exotische Münzen und Waffen, ein Himmelsglobus mit Sternen aus glänzenden Edelsteinen.

Die größten Schätze der Stadt sind zwei Fastentücher, mit denen man einst während der Fastenzeit das Kruzifix im Altarraum verhüllte. Das „Große Zittauer Fastentuch“ von 1472 lässt sich im Museum in der Kirche zum Heiligen Kreuz bewundern. Auf 56 Quadratmetern zeigt es 90 biblische Szenen. Das Kleine Fastentuch, mit seinen rund vier Metern Seitenlänge, ist hundert Jahre jünger und im Franziskanerkloster ausgestellt.

Schließlich kommt man in Zittau nicht nur kulturell, sondern auch kulinarisch auf seine Kosten. Wir genießen die deftige regionale Küche und allerlei lokale Biere im Dornspach-Haus, einem prächtigen Renaissance-Palast, wo einst der Bürgermeister wohnte.

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Bildrechte Titelbild © Antje Rößler

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Antje Rößler

Autor Kurzvorstellung:

Antje Rößler reist gern und liebt die Schönen Künste. Beides verbindet sie in ihrer Tätigkeit für diverse Tageszeitungen und Magazine: von der „Süddeutschen Zeitung“ über das America Journal bis zum Forum Magazin. Sie lebt in Berlin und in der Uckermark – abgesehen von ausgedehnten Winter-Aufenthalten in tropischen Gefilden. Sie hat an der Berliner Humboldt-Universität Musikwissenschaft, Soziologie und Philosophie studiert. Ein Auslandsjahr verbrachte sie mit einem Fulbright Stipendium in Kansas City. Sie war mehrfach Stipendiatin der German Studies Association. Als Musik-Expertin arbeitet Antje nun regelmäßig für Fachmagazine wie „Das Orchester“ oder „neue musik zeitung“ und lehrte Music History am Nazareth College (New York). Ihr neues Buch handelt von der Musikstadt Meiningen (Thüringen).

Hinweis: Dieser Beitrag wird regelmäßig von Mitgliedern der Reise-Stories Redaktion wie Heiner Sieger, Gerhard Fuhrmann und Jupp Suttner auf Richtigkeit und Vollständigkeit geprüft. Falls Sie Anmerkungen zu diesem Beitrag haben, kontaktieren Sie bitte direkt hier die Redaktion.

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