Wer sich auf Reisen begibt, legt in der Regel eine optimistische Grundhaltung an den Tag. Gespeist von Vorfreude auf Neuentdeckungen, Erfahrung des Unbekannten und Neugierde auf Menschen, die Freunde werden könnten. Nur im Hinterkopf beschäftigt man sich mit möglichen Gefahren, schließlich wollen wir doch wenigstens auf Reisen unbeschwert unser Dasein genießen. In pandemischen Zeiten ist das manchmal gar nicht so leicht, doch wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg. Das kann man in einer Region erleben, die zwar kein Schattendasein führt, als Urlaubsland aber noch zu den eher unentdeckten Schätzen Deutschlands gehört: Churfranken.
Wo liegt das denn bitte? Okay, im Fränkischen natürlich. Am Main. Zwischen Odenwald und Spessart. Miltenberg, Klingenberg und Bürgstadt hat man schon gehört. Aha, politisch gesehen also der Südwestzipfel Unterfrankens. Und philosophisch? Aschaffenburg und Frankfurt sind nicht allzu weit entfernt, ob der 1860 in Frankfurt am Main gestorbene deutsche Philosoph Arthur Schopenhauer jemals Churfranken mit seinem Pudel auf Spaziergängen und Wanderungen durchstreift hat, ist dem Verfasser leider nicht bekannt. Aber eine seiner Aussagen, die dazu beitrugen, dass viele Zeitgenossen in ihm den Philosophen des Pessimismus sehen, kam ihm auf einem kleinen Spaziergang auf dem Fränkischen Rotweinwanderweg oberhalb von Klingenberg in den Sinn: „Aller Genuss und alles Glück ist negativer, hingegen der Schmerz positiver Natur.“ Was folgt daraus für Churfranken? Genuss und Glück kann man hier in großer Menge erleben, Schmerz auch. Das Negative daran ist, dass man nicht genug Zeit hat, alles zu kosten und schnell bereut, dieses sonnenverwöhnte Fleckchen Erde nach ein paar Tagen wieder verlassen zu müssen. Das Positive daran ist der Schmerz, nicht zu wissen, wie lange es dauern mag, bis man wieder hierher zurückkehrt. Um dann Glück und Schmerz in ein gemeinsames Ganzes zu verwandeln, mit Wille und Vorstellungskraft eine ideale Welt zu schaffen, die hier ein paradiesischen Plätzchen bereithält. Und sei es nur für eine begrenzte Zeit. Was also macht Churfranken so genussreich und glücklich?
Da sind zum einen seine gastfreundlichen, offenen Menschen, die etwas von jener Sonne ausstrahlen, die auf den Rebhängen großartige Weine reifen lässt. Ein Lächeln im Gesicht? Aber natürlich, mit Fröhlichkeit geht man leichter durchs Leben: Anja Stritzinger aus Klingenberg macht sich zwar Sorgen um ihre Reben, denn die Trockenheit ist ein Problem und auch Trauben können einen Sonnenbrand bekommen. Doch die Bio-Winzerin aus Klingenberg ist keine Pessimistin, glaubt fest daran, dass auch dieser Jahrgang ein guter Weinjahrgang wird. Sie bewirtschaftet zwei Hektar Terrassensteillagen in hundertprozentiger Handarbeit, pflegt acht Kilometer Trockenmauern und setzt in ihren Weinbergen auf natürliche Dauerbegrünung. Mit der Umstellung auf ökologisch-organischen Anbau war sie in den 1980er Jahren Wegbereiterin des Bio-Weinbaus in der Region. Heute erzielen ihre Portugieser, Spätburgunder, Gewürztraminer, Regent und Rieslinge auf internationalen Weinprämierungen höchste Auszeichnungen. Ein wahres Genusserlebnis ist der „2018er Vinum frankonium purpureum“, ein außergewöhnlicher Rotwein Alter Satz mit fruchtig-würzigem Charakter, der aus einem alten Weinberg mit 20 verschiedenen Rebsorten stammt. Nicht minder charaktervoll ist der „2016er Riesling pur“, maischevergoren und im Barrique ausgebaut, ein trockener und strukturreicher Weißwein, der die Goldmedaille beim Internationalen Bioweinpreis 2018 erhielt.
Auch im Alten Gewürzamt in Klingenberg warten große Geschmackserlebnisse auf den Genusswanderer. Am alljährlichen Churfranken Genussfestival von Ende August bis Anfang September zählen die Wein-Genuss-Tage im Alten Gewürzamt in Klingenberg ganz sicher zu den Höhepunkten. Ingo und Kilian Holland präsentieren dann erlesene Weine und regionale Leckereien in exklusivem Ambiente auf geräumiger Terrasse über den Dächern der Stadt. Ihre Familien-Gewürzmanufaktur in der Frühlingsstraße bietet eine faszinierende Vielfalt aus aller Welt und selbst hergestellte Mischungen, mit denen man jedem Gericht die besondere Note geben kann. Alle Gewürze werden hier in Klingenberg in Handarbeit geröstet, gemahlen und gemischt. Ob Zimt aus Vietnam oder Ingwer aus Indonesien, hier bleibt kein Gewürzwunsch offen.
Engagierte Würze bringt auch Bürgermeister Ralf Reichwein in die Stadt Klingenberg, ein eher untypischer Politiker, dem man seinen Einsatz für das Gemeinwohl und die Weiterentwicklung der gesamten Region Churfranken abnimmt. Als Vorstand des Churfranken e. V. forciert er auch den Ausbau des touristischen Angebotes der Städte und Orte in der Region unter dem Motto „Gemeinsam sind wir stärker“. So gibt es ausgearbeitete Reiseprogramme für Burgenbegeisterte, für Weinwanderer, Kulinarik-Programme und Kulturreisende, Radl-Erlebnisse entlang der Rebstöcke und spezielle Strecken für Mountainbiker.
Eines sollte kein Churfranken-Reisender versäumen: Ein Besuch im ältesten Gasthaus und Hotel Zum Riesen im wunderschönen historischen Stadtkern in Miltenberg. Hier war im 12. Jahrhundert schon Kaiser Barbarossa zu Gast, noch immer wird hier Gastfreundschaft und Tradition gepflegt, sind die Speisen im Restaurant von bodenständig-ausgesuchter Qualität. Das gilt auch für das 4-Sterne Landhotel Adler in Bürgstadt, die Kaffee-Rösterei von Michael und Katharina Schulz oder die spannende Führung durch das Brauhaus Faust in Miltenberg. Die Probe der Craft-Biere mit Stadtführerin Dorothea Zöller gerät da genauso zum Genuss-Erlebnis wie der Besuch des Museums der Stadt Miltenberg, das mit moderner Präsentation die wechselvolle Geschichte der Stadt und der Region Churfranken zeigt.
Und neben all diesen Leib- und Seele-Aktivitäten führt ein Besuch der Martinskapelle in Bürgstadt aus dem 10. Jahrhundert, eine der ältesten Kirchen in Franken, zur geistvollen Erbauung. Ihre großartigen Fresken mit Szenen aus der Bibel stammen aus dem 16. Jahrhundert, eine derart vollständige Darstellung der Heiligen Schrift findet man kaum noch. Doch warum reißt der böse Drache dort oben so weit das Maul auf? In Churfranken gibt es doch genug für alle, hier braucht keiner den Höllenschlund fürchten.
Informationen
Churfranken e. V., Hauptstr. 57, 63897 Miltenberg , Telefon 09371-660 6975 www.churfranken.de
Drei am Main, Engelplatz 69, Rathaus, 63897 Miltenberg, Telefon 09371-404119 www.miltenberg.info
Übernachtungstipps:
Landhotel Adler, Hauptstr. 30, 63927 Bürgstadt, Telefon 09371–97880 www.gasthof-adler.de
Hotel Zum Riesen, Hauptstraße 97, 63897 Miltenberg, Telefon 09371-2582
www.hotel-riesen-miltenberg.de
Schifffahrten auf dem Main: www.reederei-henneberger.com
Kulturtipp: Theaterpavillon Lilli Chapeau, Im Schlosspark Kleinheubach
Museum Miltenberg, Heimat, Kunst, Geschichte www.museen-miltenberg.de
Brauereiführung: Brauhaus Faust, Hauptstraße 219, 63897 Miltenberg, Telefon 09371-97130 www.faust.de
Altes Gewürzamt mit Kochschule und Eventlocation, Frühlingstraße 37, 63911 Klingenberg, Telefon 09372-9481090, Gewürzladen In der Altstadt 7, 63911 Klingenberg, Telefon 09372-134757 www.altesgewuerzamt.de
Mika Kaffee-Rösterei, Hauptstraße 89, 63897 Miltenberg, Telefon 09871-9489666 www.kaffeeroesterei-mika.de
Weingüter
Bio-Weinbau Familie Stritzinger, Bergwerkstraße 19, 63911 Klingenberg, Telefon 09372-922954 www.weinbau-stritzinger.de
Weingut Steintal, Wilhelmstraße 107, 63911 Klingenberg, Telefon 09372-2438 www.weingut-steintal.de
Weingut Rudolf Fürst, Hohenlindenweg46, 63927 Bürgstadt, Telefon 09371-8642 www.weingut-rudolf-fuerst.de