Der ständig steigende Meeresspiegel alleine bereitet schon genügend Probleme, wären da nicht noch ganz andere Begleiterscheinungen! Es ist unbestritten, dass die Artenvielfalt parallel drastisch abnimmt mit unabsehbaren Folgen für die Ökosysteme.
In weit abgelegenen und wenig besiedelten Regionen des Globus bahnen sich dramatische Entwicklungen an: Wüsten vergrößern sich, Binnenseen trocknen aus, in ehemals vergletscherten Gebieten sind jetzt Steinhalden den Sonnenstrahlen ausgesetzt. In dicht besiedelten Staaten nahe des Äquators vernichten verheerende Sturzfluten Ernährungsgrundlagen der Landbevölkerung. Es ist etwas aus den Fugen geraten, oft zu fern von unserer täglichen Wahrnehmung.
Während der vonWild Touch initiierten Antarktis Expedition haben sich der Fotograf Vincent Munier und der Meeresbiologe Laurent Ballesta in der Dumont d`Urville-Station im Adelie Land der Antarktis aufgehalten. Mit Beteiligung von ARTE konnten die beiden bislang nie gelungene Aufnahmen von Kaiserpinguinen über dem Eis, aber auch von der Unterwasserwelt aufzeichnen. Es sind lediglich Forschungsstationen auf dem antarktischen Kontinent zugelassen, kein Bergbau, keine Beherbergungsbetriebe oder sonstiger Kommerz.
ImAntarktis-Vertragvon 1961 ist eine internationale Übereinkunft festgelegt, dass der unbewohnte Kontinentzwischen 60 und 90 Grad südlicher Breite ausschließlich friedlicher Nutzung, besonders der wissenschaftlichen Forschung vorbehalten bleibt. Leider unterlaufen gierige Fangflotten die Regeln auf der Suche nach Krill und Fisch. Erst letztes Jahr haben Russland und China mit ihrem Veto die Errichtung eines neuen Nationalparks auf dem eisigen Kontinent verhindert.Die Antarktis verliert einer Studie zufolge deutlich mehr Eis als bisher bekannt. Ein internationales Forscherteam kommt zu dem Schluss, dass sich der jährliche Eisverlust seit den 1980er Jahren etwa versechsfacht hat. Betroffen ist demnach nicht nur die Westantarktis, sondern überraschenderweise auch der lange als eher stabil geltende Osten des Kontinents.
Es ist mehr als ein Wunder, wie Kaiserpinguine unter den widrigsten Bedingungen ihren Nachwuchs aufziehen. Sie legen riesige Strecken bei Blizzard in ihrem langsamen aufrechten Gang auf kurzen Beinen zurück, die auszubrütenden Eier zwischen den Füßen haltend. Auch die Wanderungen des Nachwuchses über den Packeisgürtel zum offenen Wasser werden immer länger, da sich während wärmerer Sommer Gletscher schneller und weiter ins Meer hinaus bewegen. Dadurch verhungern sie oft, bevor sie das offene Meer erreichen.
Regelmäßig lag der Franzose Vincent Munier mit vielfachem Kälteschutz bäuchlings im Triebschnee mit dem Teleobjektiv im Anschlag. Das Ergebnis sind künstlerisch gestaltete Fotografien, die eher an impressionistische Gemälde südfranzösischer Künstler erinnern – nur fast ohne echte Farben. So bleiben hingehauchte Portraits dieser bewundernswerten Geschöpfe in pastellähnlichem Schwarzweiß, verwischt im erbarmungslosen Schneesturm. Es sind Bilder zum Meditieren, Staunen und Verweilen.
Noch unerwarteter sind die Eindrücke, die Laurent Ballesta von seinen Tauchgängen unter der Eisdecke mitbringt. Eine Artenvielfalt von faszinierender Farben- und Formenpracht mit filigranen Krebs- und Spinnenarten, tauchenden Pinguinen, jagenden Seeleoparden und dann den entrückten Blautönen zwischen grotesk gestalteten Unterseiten der Eisberge. Farben, die es in der Atmosphäre so nicht gibt. Auch dieses Ökosystem leidet zunehmend unter der kontinuierlichen Erwärmung des Südpolarmeeres.
So entdecken zwei herausragende Naturfotografen gemeinsam die faszinierenden Naturschätze des Adelie-Landes in der Antarktis: Während Vincent Munier (Im eisigen Weiß) das Packeis mit seinen Vogelkolonien und den Kaiser- und Adeliepinguinen erkundete, tauchte Laurent Ballesta unter dem Eis mit Pinguinen und Weddellrobben und fotografierte die unglaubliche Vielfalt der arktischen Tiefen. Sie untermauern mit ihren Dokumentationen die Gefährdung des kalten Paradieses. Dabei sind zwei hochwertige Querformatbände entstanden. Fotos von Munier im weißen Band Adelie Eisland und Unterwasseraufnahmen von Ballesta im blauen Band Adelie Eismeer. Der Text ist bewusst spärlich gehalten. Beide Bildbände zusammen werden mit einem Schuber ausgestattet.
Die beiden Fotokünstler lenken den Blick mit ihren Aufnahmen auf die Schönheit und Verletzlichkeit der Schöpfung, erschreckend und gleichzeitig bewundernswert am Beispiel des kältesten Kontinentes.
Vincent Munier,Laurent Ballesta
Adelie: Eismeer – Eisland – An Land und unter Wasser in der Antarktis
36.5 x 26.0 cm, Schuber, 208 Seiten mit 90 farbigen Abbildungen
Übersetzt von: Jörn Pinnow
ISBN 978-3-95728-219-4; Preis Euro 150,00.www.knesebeck-verlag.de
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