Nahe der Felsenstadt Monemvasia bekommt ein verfallener Landsitz ein neues Outfit.
Mit dem Fischer und Kapitän Denis Choulis umrunden wir in einem Motorboot den mächtigen und geschichtsträchtigen Felsen von Monemvasia, der sich unübersehbar östlich vor dem Peloponnes, genauer gesagt vor der Provinz Lakonien, auftürmt.
Die Wellen der Ägäis klatschen ans Boot und an die nahe Felsenküste, wo das 194 m hohe und 1,8 m lange Steinmonster stolz und gewaltig in den Himmel ragt. Seit der Gründung der Felsenstadt Monemvasia” im Jahre 583 n. Chr., auf Griechisch “moni- emvassi”, was soviel bedeutet wie “einziger Eingang”, besitzt der steinerne Gigant eine wichtige, strategische Bedeutung. Denn er befindet sich auf dem Seeweg zwischen Venedig und Byzanz (Konstantinopel) und fungierte sozusagen als Wachposten über den Schiffsverkehr. “Die Byzantiner hatten die Felsenstadt zum Schutz gegen die Slawen errichtet,” erklärt Denis.
Bild oben: Felsenstadt Monemvasia mit Serpentinenaufgang und Zitadelle
“Im Laufe der Geschichte waren es mal die Türken, Venezianer, Franken, Araber und Osmanen, die die Herrschaft über den Felsen beanspruchten”, so der Kapitän. Bis im Jahr 1821 der sogenannte Hl. Felsen zu Griechenland kam. Seine Schutzfunktion blieb jedoch immer erhalten, was heute noch deutlich sichtbar ist. Wehrhafte Verteidigungsbauten, wie die Außenmauern der Stadt mit ihren niedrigen Gewölben und Torbögen, sowie der gemauerte Serpentinenzugang zur Zitadelle waren zum Schutz der Bewohner errichtet.
Die byzantinische Kirche “Agia Sofia”, die hoch oben auf dem Felsenplateau thront, steht seit dem 13. Jahrhundert auf ganz sicherem Terrain. In der Blütezeit der Felsenstadt lebten dort über 25.000 Menschen. Heute sind es nur mehr circa 50 Bewohner, die im Städtchen ein paar Restaurants und Souvenirläden betreiben. Doch der Charme des Ortes zieht in der Hauptsaison viele internationale Besucher an. Die historischen Sehenswürdigkeiten zu entdecken und bei Vino und griechischem Salat den freien Blick auf die Ägäis zu genießen, ist bestimmt ein eindrucksvolles Erlebnis.
Felsenkoloss als Kulisse
Diese einzigartige Kulisse von Monemvasia mit dem Felsenkoloss und seiner langen, wechselhaften Historie machten dem Architekten und Ingenieur Antonis Sgardelis die Entscheidung leicht, in Agios Stefanos, nur sieben Kilometer von Monemvasia entfernt, einen zerfallenen Landsitz, zu kaufen, zu sanieren, zu restaurieren, um ihn als authentisches Hotel wieder herzustellen. Ein 40 Hektar Grundstück mit Weinbergen, Olivenbäumen und uraltem Baumbestand rahmen damals wie heute den byzantinischen Herrensitz, der bis zu Beginn des 19. Jh. dem Osmanen Ibrahim Bey gehörte. Nachdem die letzte Hausherrin Lina Kapitsini mit 80 Jahren kinderlos starb, stand das verfallene Anwesen zum Verkauf.
Sgardelis investierte 14 Mio. Euro und es gelang ihm, aus der Ruine, ein Traumhotel am Peloponnes zu schaffen. Zusammen mit den Ländereien ist es als Gesamtkunstwerk zu bezeichnen, wo jedes Detail stimmt, um den historischen Gegebenheiten zu entsprechen. Dennoch achtete der Bauherr darauf, Funktionalität und Moderne ebenfalls zu integrieren.
Damals wie heute ist Wasser in Griechenland lebensnotwendig und verspricht Autonomie. Um so wertvoller war die Quelle, die in einer Zisterne der Ruine gespeichert wurde. Da der Grieche Sagredi um ihre Notwendigkeit weiß, belässt er die Zisterne im Zentrum des Hauptrakts. Somit bildet wie zuvor ein Teich, von Säulen umgeben, das Herzstück des ehemaligen Landsitzes und späteren Hotels. Und die Zisterne, griechisch “Kinsterna” gab dann dem Hotel seinen Namen. Sgardelis musste die Säulenreihe bis auf eine Säule ergänzen. Die neuen Säulen hellbeige bemalt, unterscheiden sich von der einzig echten, historischen Säule, die durch ihre unbehandelte, grobe Oberfläche mit gemauerten Steineinlagerungen hervorsticht und nachts extra beleuchtet wird.
Teich mit Zisterne von Säulen umrahmt.
Reminiszenzen an die Vergangenheit
Große, zentrale Empfangsräume gehörten bei den byzantinischen Landsitzen dazu. Im Hotel Kinsterna dient der repräsentative Platz im Zentrum als Lobby. Die Rezeption liegt gleich nebenan. Das umgebende Mauerwerk mal verputzt mit Ziegelstücken oder rustikal kombiniert mit losen Gesteinsbrocken in verschiedenen Farben ist nach den alten Fotos gestaltet. Die Ähnlichkeit mit der Felsenstadt Monemvasia ist dabei nicht zu übersehen. Sagredi übernimmt auch die vorgegebene, traditionelle Gestaltung. Kleine Ziegelstücke in die Außenwände eingesetzt sind authentisch und dienen als Hitzeschutz. Gemauerte Rundbögen als Tür- oder Fenstersturz oder die Fläche einer unbehandelten Mauer als Reminiszenz an das Gewesene sind architektonische Zitate, womit Sgardelis immer wieder deutlich macht, dass er der Vorlage verpflichtet ist. So erinnern die schmalen, kleinen Fenster in der Fassade auch an den einstigen wehrhaften Charakter des Anwesens, das wegen seiner exponierten Lage, sich zu verteidigen hatte.
Restaurierte Mauer und Bodenmosaik
Von den 27 Hotelzimmern im Haupt- oder Nebenhaus mit eigenen Balkonen und modernen Marmorbädern ausgestattet, genießt der Gast den Blick auf die Felsenstadt und die legendäre Ägäis. Die Gästezimmer sind unterschiedlich und doch im Design einheitlich. Mal dominiert ein offener Kamin aus historischen Zeiten oder ein Gewölbe aus Naturstein sorgt für eine authentische und extravagante Note. Als besonderes Stilelement dekoriert der Farbabdruck von geklöppelter Spitze manche Zimmerwand.
Naturmaterialien wie Holz, Stein, Leder und Leinen gestalten das Interieur stilvoll ohne Schnörkel.
Pomeranzen und Quitten
Und wer durch die Anlage schlendert, kommt vorbei an den jahrhundertealten Zitronen- und Orangenhainen und den alten Obstbaumsorten wie Quitten und Pomeranzen.
Riesige, uralte Eukalyptusbäume rascheln sanft im leichten Südwind. Und für den Küchenchef George, der die typische griechisch mediterrane Küche auf hohem Niveau serviert, werden vor allem die frischen Kräuter und Gemüse für jedes Gericht extra
aus dem Garten geholt.
Auf dem 40 Hektar großen Gelände ringsum das Herrenhaus liegen Weinberge und Olivenhaine. Ganz nach traditioneller Überlieferung werden Weintrauben und Oliven geerntet, der griechische Traubenschnaps Tsipouro gebrannt, frisches Bauernbrot im uralten Ofen gebacken und Seife nach alten Rezepten produziert.
Hotelanlage Kinsterna mit Pool
Bei der Neugestaltung der Anlage, achtete Sgardelis darauf, den Pool und die Liegeflächen so zu platzieren, dass der wertvolle, alte Baumbestand nicht zu Schaden kam. So verläuft das Schwimmbad im breiten Bogen durch den Park. Eingerahmt von Palmen, Bananen- und Hibiskusstauden können wir von unserer Sonnenliege aus auf den imposanten Felsenkoloss von Monemvasia und die blaue Ägäis blicken. Wie vor vielen hundert Jahren hat sich an der Perspektive nichts geändert. Dank der Initiative und des Engagements von Antonis Sgardelis, aus den Überresten eines historischen Gebäudes das “Kinsterna” zu schaffen, wo Architektur und Gestaltung authentisch zitiert und interpretiert wurden, passt die restaurierte und rekonstruierte Architektur perfekt in die Landschaft und die Zeit, da das Hotel nachhaltig und ökologisch bewirtschaftet wird.
EVA-MARIA MAYRING