Sicher sind die Kanaren vor der Küste Afrikas beliebt und oft besucht. Aber auf dem im Westen von Teneriffa gelegenen La Gomera oder La Palma geht es beschaulich einher. Unter Naturschutz stehende Urwälder und Nationalparks und verschwiegene Buchten verlocken zu vielerlei Aktivitäten oder zum Verweilen.
Es ist dämpfig unter dem grün schillernden Blätterdach. Nebelfetzen bleiben im Geäst hängen oder werden vom Wind mitgenommen. Sie geben den Blick frei auf verkarstete Landschaften. Baumriesen säumen unseren Wanderweg, verkrüppelt, miteinander verwachsen oder mächtig gen Himmel strebend. Umgestürzte vermodernde Stämme sind Kinderstube für nachkommende Generationen. Der Nationalpark Garajonay auf der kanarischen Insel La Gomera zählt zu den letzten Urwäldern Europas. Ein Überbleibsel aus dem Tertiär ist der Lorbeerwald der wegen hoher Luftfeuchtigkeit und konstanten Temperaturen ideale Voraussetzung für zahlreiche Pflanzen- und Baumarten bietet. 1986 wurde er zum UNESCO Welterbe erklärt. Gleichnamig ist auch der höchste Berg der Insel mit 1487 Metern. Den Namen verdankt er der tragischen Liebesgeschichte von Prinzessin Gara und dem Prinzen Jonay. Der Legende nach schieden die unglücklich Liebenden hier oben aus dem Leben. Die Eltern duldeten die Verbindung nicht.
La Gomera ist mit etwa 370 Quadratkilometern die zweitkleinste der zu Spanien gehörenden Kanarischen Inseln und war schon immer Ziel für Individual-Touristen. Der große kommerzielle Hafen der Hauptstadt San Sebastian wird von Teneriffa, La Palma, El Hierro und Kreuzfahrtschiffen aus ganz Europa angefahren. Auch Kolumbus versorgte sich hier mit Wasser und Proviant, bevor er zur vermeintlichen Entdeckung Amerikas aufbrach. Ein Flugplatz für interinsulare Flüge befindet sich im Süden in der Nähe des Fischerdorfes Playa de Santiago. Schroff ist die Landschaft die in diesen Teil der Insel führt, beinahe vegetationslos. Auf dem Dorfplatz spielen Kinder Fußball. Schrille Pfeiftöne feuern die Mannschaften an. Verständigung durch eine Pfeifsprache, deren Gebrauch Forscher schon bei den Ureinwohnern vermuteten machte bei den tiefen Schluchten und Entfernungen Sinn. Silbo Gomero ist heute wieder Pflichtfach in den Schulen, und seit 2009 von der UNESCO als immaterielles Weltkulturerbe geschützt. So wundern wir uns nicht wenn auf dem Spielplatz eigenartige Pfeiflaute zu hören sind. Vielleicht machen die Kinder gerade ihre Hausaufgaben.
Eine kurvige, jedoch gut ausgebaute Straße führt auf die Westseite ins Valle Gran Rey. Häufig halten wir an. Die Ausblicke auf Land und Meer sind fantastisch. Der gleichnamige Ort ist überschaubar. Kleine Boutiquen bieten geschmackvolle, alternative Souvenirs an. Auch bei den Organisatoren der Ausflüge steht Umweltschutz an erster Stelle. „Wollt ihr Delfine beobachten oder lieber das Inselinnere erkunden?“ Josef von Timah Travel nimmt uns am nächsten Tag mit auf eine Fahrt durchs Hinterland.
Gomera muss sich noch nicht gegen einen Massentourismus wehren wie andere kanarischen Inseln. „Hier wollte César Manrique ein Restaurant betreiben. Doch die anliegenden Landbesitzer weigerten sich beim Anschluss des Stroms Grundstücke bereitzustellen!“ Josef schüttelt den Kopf. Er lebt schon einige Jahre auf der Insel und kennt die Eigenheiten der Gomeros. Ein paar Familien regeln die Angelegenheiten untereinander, was für einen Fortschritt oft hinderlich ist. Die Abwanderung der Jungen ist da nicht verwunderlich.
Idyllisch verteilt liegen die Häuser des Töpferdorfes El Cercado im Hochland von Gomera. Noch heute stellen Töpferinnen auf traditionelle Weise Gefäße her die auch im täglichen Gebrauch ihren Platz haben. Becher, Schalen und Krüge entstehen ohne Drehscheibe. Durch Einreiben mit sienaroter Tonerde erhalten sie die charakteristische Glasur. Dann erfolgt das Brennen im holzgefeuerten Ofen. Im Ortsmuseum kann der Besucher den Werdegang auf Fotos und Ausstellungsstücken verfolgen.
Im Schatten der mit Weinblättern berankten Pergola des Restaurants ist es angenehm kühl. Aus der Küche riecht es verlockend. Bald schon serviert man uns verschiedene Spezialitäten ein kleinen getöpferten Schälchen: eine herzhafte Suppe, etwas Kaninchen und Fisch. Auch die typischen kanarischen Salzkartoffeln fehlen nicht. Ein kräftiger Cortado und „Almendrados“ typisches Mandelgebäck runden das Ganze ab. Ob wir es noch nach Agulo zum gläsernen Balkon schaffen?
„Ein Balkon über dem Atlantik?“ Der Aufstieg zum Mirador de Abrante hat sich gelohnt. Auf seiner sieben Meter über den Abgrund hinausragenden verglasten Plattform hat der Besucher nicht nur einen herrlichen Blick auf die weiß getünchten Häuser der kleinen Gemeinde sondern auch auf den auf der Nachbarinsel Teneriffa befindlichen Teide. Gitarrenklänge locken den Besucher abends nochmals an den Strand. Auf der Kaimauer sitzend horchen wir den nostalgischen Melodien die vom sanften Wind davongetragen werden. Es ist kein bekannter Künstler der aufspielt, nein nur jemand der Freude an der Musik hat und sie mit anderen teilt.
La Palma – die Grüne
Mit erstaunlicher Geschwindigkeit pflügt der Trimaran durch die Wellen. Die Express-Fähre bringt Besucher spätabends von La Gomera nach La Palma der nordwestlichsten Insel der Kanaren. Gleich nach der Ankunft in der Hauptstadt Santa Cruz de La Palma beginnt das Abenteuer. Durch enge verwinkelte Gassen geht es zum Hotel. Mit etwas Glück findet sich auch ein Parkplatz in der Nähe. Die liebevoll ausgestattete Unterkunft entschädigt uns für die Aufregung bei der Anreise.
Im Gegensatz zu anderen kanarischen Inseln zeigt sich La Palma in üppigem Grün. „La Palma hatte einst glorreiche Zeiten. „Seht euch mal die schönen Innenhöfe und die kunstvoll gestalteten Holzbalkone an. Die sind typisch für die Kanaren.“ Beim Stadt-Rundgang macht die Fremdenführerin auf architektonische Kostbarkeiten und idyllische Höfe aufmerksam. Kirchen beherbergen wertvolle Hochaltäre. Ein Beispiel typischer Barockkunst ist das mehrstöckige Haupthaus der Familie Salazar. Heute verkauft die Inselregierung dort Kunsthandwerk oder veranstaltet Ausstellungen.
Wir lassen das geschäftige Treiben der Stadt hinter uns und sind unterwegs ins Inselinnere. Auf der Straße zum Nationalpark Caldera de Taburiente wird es wirklich eng. Jeder fährt langsam und genießt die Fahrt durch den herrlichen Kiefernwald. An den Nadeln glänzen unzählige Wassertropfen, ein Überbleibsel vom „Melken“ der aufliegenden Passatwolken. Dann verschwindet das Grün, schwarze Baumstämme zeigen das Ausmaß fürchterlicher Waldbrände. Heiße Sommermonate und ein kräftiger Kalima-Wind, sowie ein dicker Nadelteppich wirken als Brandbeschleuniger. „Das Feuer ist aber auch wichtig für die Verjüngung des Waldes.“ Miguel deutet auf einen verkohlten Stamm mit frischen Trieben. Bei unserer Wanderung treffen wir ständig auf neues Leben wo einst das Feuer wütete.
In 2400 Meter Höhe empfängt uns eisiger Wind. Kurze Hosen, die in Meeresnähe angenehm waren, wirken etwas deplatziert neben den warm eingepackten Wanderern die wie wir die Aussicht vom Roque de los Muchachos genießen. Wie alle kanarischen Inseln ist auch La Palma vulkanischen Ursprungs. Hier sind wir seiner Entstehung ganz nah. Ein bizarr geformter Kraterrand und zerklüftete Landschaft geben Zeugnis von den Urgewalten der Natur. Die Gebäude des Observatoriums wirken wie aus einem futuristischen Film. Saubere klare Luft und der meist wolkenfreie Nachthimmel ermöglichen intensive astrophysikalische Beobachtungen mit einem der weltgrößten Teleskope.
Schätze aus Meer und Land
„Die Salinas Marinas de Fuencaliente ein halbes Jahrhundert zu betreiben war kein Zuckerschlecken“, kommentiert die Gründerfamilie der Saline das letztjährige Jubiläum. Was sich bei „manueller“ Meersalz-Herstellung gut vorstellen lässt. Zahlreiche quadratische Becken fangen das kostbare Salz nach Verdunstung des Meerwassers auf. Verkauft wird jedoch nicht nur grobes sondern auch feines Gourmetsalz „Flor de Sal“, das im Restaurant Jardin de la Sal zu erlesenen Gerichten serviert wird.
„Wen Gott liebt dem schenkt er Wein und ein Leben auf La Palma!“ Lachend zeigt Marie auf ihre Reben. Marie hat das Weingut ihres Vaters übernommen und pflegt auch seine Traditionen. Es ist schon eine besondere Kunst auf dem kargen steinigen Boden, dem nur an wenigen Tagen erfrischender Regen gegönnt ist eine Traube zu erzeugen, die als Malvasia Süßwein auf der Zunge zergeht. Weinanbau ist jedoch eine 500 Jahre alte Tradition auf La Palma.
Vor der Abreise wollen wir die Küste noch vom Wasser aus erkunden. Da kommt die schlechte Nachricht: „Zu viele Wellen auf dem Atlantik. Eine Kanutour ist nicht möglich.“ Die Natur muss respektiert werden. Dafür bummeln wir nochmals durch die schmalen Gassen von Santa Cruz. Vorbei an farbenfrohen Auslagen, an Bildern moderner Malerei, an Restaurants mit all den kanarischen Delikatessen, wo sich die Vielfalt dieser Insel zeigt.
Informationen: allgemeine und spezielle Auskünfte gibt auf www.spain.info; bzw. auf www.visitlapalma.es/de; und unter https://lagomera.travel/de/; Exkursionen auf La Gomera offeriert Timah Travel: https://www.timah.net/de/
Text: Monika Hamberger, Fotos: Rainer Hamberger