Von Elke Backert
Es war einmal… So fangen alle Märchen an. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute. Frau Holle ist eine der Märchenfiguren, die in der Heimat der Gebrüder Grimm putzmunter ihren Dienst tut. Was sie gerade macht, erkennt man vor Ort sofort. Wenn es neblig ist, wäscht sie, oder sie kocht, dass es dampft. Wenn sich am Abend der Himmel rot einfärbt, dann backt sie. Ist doch ganz logisch – oder? Und morgens bei Sonnenaufgang ist der Backofen noch heiß.
Bild oben: Der von Mohnbauer Björn Sippel in Germerode und dem Meißner-Kaufunger Wald angebaute Schlafmohn hat kaum Morphine.
Wer sich nun nicht mehr so genau an das Märchen von Frau Holle, der Goldmarie und der Pechmarie erinnert, kann es über Kopfhörer im prächtigen Fachwerk-Rathaus beherbergten „Holleum“ und dank der dort gemalten Bilder gut nachvollziehen. Das Brot im Backofen ruft: Hole mich raus, bevor ich verbrenne, der Apfelbaum bittet: schüttel mich, meine Äpfel sind schon reif. Und so weiter und so fort…
Der Rundweg führt durch die malerische Fachwerk-Stadt Hessisch-Lichtenau zu zwölf modernen Skulpturen-Stationen, aber auch an die bronzene Skulptur der Frau Holle, die ihre Betten schüttelt, auf dass es schneien möge, an den Brunnen, in den die Spindel gefallen ist und auf dem der Hahn kräht, dessen Worte in eine Bronzeplatte graviert sind: „Kikeriki, Goldmarie ist wieder hie.“
An der dicken noch erhaltenen Stadtmauer zeigt die aus einem Sandsteinblock von 2,30 Meter gearbeitete „Freya an der Mauer“ die andere Frau Holle, die Göttin der Liebe, des Glücks und der Fruchtbarkeit aus der Sagenwelt, auch Frigga, Perchta und Hulda genannt.
Zwei weitere Brunnen stehen in Vockerode, am einen sitzt die fleißige und dafür belohnte Goldmarie, am anderen die faule Pechmarie. Denn, so ist es eingraviert: „Sie (Frau Holle) half den Guten und strafte die Bösen.“
Damit nicht genug, die ganze Region Werra-Meißner-Land rund um den sich 754 Meter erhebenden Hohen Meißner, der sich vielfach im Nebel zeigt, huldigt den Grimm-Brüdern, deren Kinder- und Hausmärchen seit 2005 zum UNESCO-Dokumentenerbe (UNESCO Memory of the World Register) gehören. Denn als einzige Sagengestalt der Grimmschen Märchen besitzt Frau Holle ihr eigenes Reich.
Es gibt die Frau-Holle-Loipe, den Frau-Holle-Teich, an dem sie als junges Mädchen in Stein gehauen ist und aus dem alle Kinder in Nordhessen geboren werden.
Das prächtige Fachwerk-Rathaus in Hessisch Lichtenau beherbergt das Frau-Holle-Museum „Holleum“.
Im Sommer 2015 eröffnete Kassel das Ausstellungshaus GRIMMWELT, in dem auch die von Jacob und Wilhelm Grimm handschriftlich kommentierte Erstausgabe der Märchensammlung zu sehen ist.
Am Hohen Meißner ist ein Barfuß-Pfad angelegt, immer ein lustiges Erlebnis. Noch mehr kann man sich auf das farbenprächtige Naturschauspiel der Meißner Mohnblüte Ende Juni bis Anfang August freuen. Ein Meer aus pink-violetten Blüten im Naturpark Meißner-Kaufunger Wald: Etwa vier Wochen dauert die Mohnblüte in Germerode, 20.000 Besucher lassen sich jedes Jahr von dem Naturschauspiel bezaubern und spazieren oder fahren mit Planwagen oder „Mohnschnecke“ durch das Blütenmeer. Die Mohnblüte ist nicht nur optisch, sondern auch kulinarisch einzigartig. Während der Blütezeit bieten Restaurants in Germerode und Umgebung Gerichte mit Meißner Mohn an – von Wildgerichten mit Mohn-Beilage über Lachs-Blätterteig-Röllchen mit Mohn bis hin zu Mohn-Pasta.
Metzgereien haben Wurstwaren mit Meißner Mohn im Sortiment, etwa Mohn-Bratwurst, Mohn-Leberkäse und sogar Ahle Wurscht mit Mohn. Und die Bäckereien offerieren Kuchen, Gebäck und hausgemachte Schokolade mit Mohn. In Zusammenarbeit mit einheimischen Betrieben entstanden eine ganze Reihe von Mohn-Produkten wie Mohnmehl (für Waffeln), Mohnlikör Mohnöl, Mohnseife, Mohneis.
Björn Sippel ist der Mohnbauer, der das alles initiiert und in seine Mohntenne einlädt zur Verkostung all der leckeren Dinge und zum Kaufen, versteht sich. Seine Tochter Lena in farblich passendem Kleidchen fungiert dabei als Mohn-Fee.
Björn Sippels Kunst reicht noch weiter. Im Winter lädt er Interessierte ein, mit ihm aus Eisblöcken Kunstwerke zu schnitzen. Mit Kettensäge, Meißel, Spachtel und weiterem passendem Werkzeug wird aus einem kalten
Block ein wärmendes Herz oder ein Blumenkorb, was schon etwas schwieriger ist. Vor allem dann, wenn man das schwere Stück nach Hause tragen will.
Fotos Elke Backert