Wie erwartet: Regen in Reykjavik. Doch was macht`s, wir nehmen einen Mietwagen und brausen die asphaltierte Ringstraße runter gen Südosten, vorbei an rotschwarzen Lavafeldern, hell bemoosten bizarren Gesteinsbrocken, an Sumpfwiesen und Häusern mit „lebenden“, das heißt mit Mooserde und Gras gedeckten Dächern, vorbei an einem Bergmassiv, das Teil der Rocky Mountains sein könnte. Geologisch vereinigt Island die ganze Erdgeschichte.
Bild oben: Dank Vierradantrieb meistern wir (fast) jeden Weg über die Insel.
Aus heiterem Himmel Sonnenschein und ein Regenbogen, wie ihn nur Kitschmaler pinseln. Himmelblau leuchtet eine Gletscherzunge, vor der sich im klaren See Eisblöcke wie aus Styropor türmen. Hier treffen wir auf Einar, unseren Führer, der uns auf den Vatnajökull bringen soll, den größten Gletscher Europas. Die Räder unseres Miet-Toyota mit Vierradantrieb wühlen sich durch die moorigen, wassergefüllten Schlaglöcher, bis Einar in seinem leichtgängigen Geländewagen anhält.
Wir hüllen uns in warme Overalls und steigen um auf Schneemobile, Fahrzeuge mit Ketten und Skiern, auf denen man sich wie auf schweren Motorrädern fühlt. Jeder steuert selbst, einige Proberunden, dann geht`s bergauf. Schön in seiner Spur bleiben, mahnt Einar, nicht an den Gletscherrand geraten, die Gletscherbäche mit Vollgas nehmen, bei Unebenheiten die Geschwindigkeit drosseln, damit man nicht vom Sitz fliegt. Für meine Augen aber ist alles eine einzige weiße Fläche. Doch plötzlich ein Schneesturm. Wie aus dem Nichts bauen sich links und rechts von mir weiße Mauern auf, rücken immer dichter heran, wollen mich erdrücken, auch vor mir eine undurchdringliche Wand. Weder ein Führer in Sicht noch seine Spur. In panischer Angst halte ich an. Doch die Wände sind wie weggeblasen, und Einar gibt Zeichen, ihm zu folgen.
Endlich ragt stelzbeinig ein dunkles Etwas in der Ferne auf. Eine Fata Morgana im Schnee? Wir haben die schützende Hütte erreicht. Die Lammkeule, die wir auf Holzkohle im Schneeloch garen, und ein Brennivin, ein isländischer Aquavit, regulieren meinen Puls. Der Sturm bläst die ganze Nacht, aber wir sind warm verpackt in unseren Schlafsäcken. Unter der Gletschersonne im Freien machen wir Morgentoilette und kommen uns vor wie Polarforscher im ewigen Eis. Ein Zertifikat bestätigt unser Gletscherabenteuer. Die Abfahrt ist geradezu ein Kinderspiel, doch wir haben noch viel vor.
Ganz „normalen“ Wasserfällen begegnen wir sozusagen auf Schritt und Tritt, aber den Gullfoss, den schönsten der Insel, gibt`s nur einmal. Über drei Stufen stürzt er hinab in eine 70 Meter tiefe Schlucht. Wo die Gischt auftrifft, verwandeln sich Gräser in Kristallhalme, Felsen in Eisberge, und wir leiden unter Eisnasen. Nicht weit entfernt das Geysirfeld: viele sprudelnde Quelltöpfe, aber nur der „Strokkur“ regt sich. Erst blubbert er in seinem Loch, bläht sich dann zu einer glasigen Qualle auf, um in gischtiger Fontäne aufzuschießen, mal lustlos, mal mit Macht, so dass die Wucht mich vergessen lässt, den Auslöser meiner Kamera zu bedienen. Der Wind treibt den heißen Sprühnebel weit über die Felder.
Von Reykjavik starten wir mit einer Propellermaschine zu den Westmännerinseln südlich vor Island. Nie Schnee, nie Frost, die bis zu 180 Meter hohen Lavamassen, die im Jahr 1973 Heimaey, das einzige bewohnte Eiland, um etliche Quadratkilometer vergrößerten, dampfen noch heute und liefern die Heizenergie. Mit dem Boot umrunden wir das Inselchen und betrachten die berühmten Vogelfelsen aus der Nähe. Sogar einen Elefanten entdecken wir: ein 78 Meter hoher Fels gleicht diesem Dickhäuter wie skulpiert. Wenn also beim jährlichen „Liebes-Fest“ am ersten Augustwochenende die Bewohner zu tief ins Glas geguckt haben und einen Elefanten sehen, so erzählt man, dürfen sie getrost weiter trinken.
Zum Abschluss der Reise ein Bad in der „Blauen Lagune“. Jeder zahlt seinen Eintritt und klettert in das heiße Schwefelwasser. Der Dampf, vom Schneesturm aufgepeitscht, wabert über den geothermalen Natursee und versperrt jede Sicht. Doch es ist ein Wahnsinnsgefühl, wenn die Eiskristalle in die Gesichtshaut pieksen und eine heiße Welle darüber schwappt. Unvergesslich, das Abenteuer Island.
Info:
Auf die Vulkan-Eruption am Eyjafjallajökull-Gletscher Mitte März folgte ein zweiter Ausbruch Mitte April 2010, der den gesamten Flugverkehr in Nordeuropa für eine Woche lahmlegte.
Die Vulkaninsel liegt zwar am Polarkreis, profitiert aber vom Golfstrom und verzeichnet in den „kalten Monaten“ selten Minusgrade, Durchschnitt zwei Grad plus. Die Bürgersteige in Reykjavik sind beheizt.
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Fotos Elke Backert