
Sein feiner Untertitel springt einem nicht unbedingt gleich ins Auge. Aber er ist dieser Veranstaltung schon wichtig. Schließlich ist die Südsteiermark nicht nur Heimat von köstlichen Kürbiskernen in allen Variationen und Verarbeitungen, sondern es wird auch hervorragender Wein angebaut in der Region. Europas höchstgelegener Weinbauort liegt nur wenige Kilometer entfernt von Leibnitz. Kein Wunder also, dass „Jazz & Wine“ so wunderbar zum „Jazzfestival Leibnitz“ passt. Und das nicht nur im Titel des viertägigen Events, sondern auch mit Weinverkostungen der regionalen Weinproduzenten vor den Konzerten. Von denen gibt es an den ersten drei Festivalabenden angenehme zwei pro Abend. Der künstlerische Leiter Otmar Klammer, der nun im vierten Jahr das in Leibnitz runderneuert gestaltete Festival programmatisch gestalten darf, tut das mit viel Fingerspitzengefühl, auch für die unterschiedlichen Spielstätten.
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Text: Christoph Giese
Fotos: Peter Purgar
Foto ganz oben: Freeman-Känzig
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Denn wie genial passt das seit gut zweieinhalb Jahren zusammenspielende Duo Chico Freeman und Heiri Känzig in den über 300 Jahre alten Bischöflichen Weinkeller des oberhalb von Leibnitz gelegenen, imposanten Schlosses Seggau! Der Saxofonist aus Chicago und der Schweizer Bassist, sie funken am Eröffnungsabend wunderbar auf einer Wellenlänge. In langen Stücken nehmen sie sich viel Zeit und Raum, unglaublich gefühlvoll Klänge, Linien und Rhythmen miteinander zu verzahnen. Wie sanft und berührend Avantgarde-Veteran Freeman ins Tenorsax zu blasen versteht und dabei immer geschickt aufgefangen wird von Känzigs leichtfüßigem Kontrabass-Spiel. Intim und vertraut, lieber eine Spur zurückhaltend als sich in den Vordergrund zu schieben – dieses Duo setzte Maßstäbe, was Musikmachen in Zweisamkeit angeht!
Dagegen ist die laute Fusion des „Fabulous Austrian Trio“, kurz „FAT“, am nächsten Abend im Kulturzentrum Leibnitz naturgemäß nicht so fein gestrickt. Setzt der Dreier um Gitarrist Alex Machacek doch auf ein unermüdlich antreibendes Schlagzeug, auf Groove und Biss und vertrackte Momente. Spielwitz haben die drei Österreicher, noch mehr jedoch packen direkt im Anschluss „The Bad Plus“, die mit einer Mischung aus eigenen Songs und Coverversionen aufwarten. Pianist Ethan Iverson, Bassist Reid Anderson und Drummer Dave King sind Könige der Verwandlung. Wie sie Kraftwerks Roboter stolpern lassen, ohne dass diese jedoch jemals umfallen. Oder wie sie andererseits Barry Manilows „Mandy“ ihre Schnulzigkeit in gewissen Augenblicken lassen, den Song dennoch nach typischer Bad Plus-Manier herrlich schräg umkonstruieren, das verzückt.


Noch ein Trio mit großem Musikspaß – Tia Fuller kam gleich mal auf High Heels nach Leibnitz. Ihr schneidender Ton auf dem Altsaxofon kann zugleich weich klingen und äußerst flexibel. Jede Tour de Force geht sie geschmeidig mit. Bebop, Blues, Gospelanklang, aber auch süffiger Souljazz, immer strahlte das Spiel der Amerikanerin in Leibnitz hell.
Dass der Jazzbrunch mit der amerikanischen Mainstream-Chanteuse Vanessa Rubin und Köstlichkeiten für Magen und Ohren am Abschlusstag draußen vor dem wundervollen Weingartenhotel Harkamp bei strahlendem Sonnenschein und warmen Temperaturen stattfinden konnte, war das berühmte i-Tüpfelchen auf ein großartiges Festival, das zu Recht immer mehr Zuhörer anlockt. Die Reise nach Leibnitz lohnt sich, auch weil neben dem Jazz, dem Wein oder den Kürbiskernen der Besuch der nahegelegenen, wunderschönen Städte Maribor in Slowenien und natürlich Graz lockt.