Die holländische Nordseeinsel Texel besticht durch eine Vielzahl an Aktivitäten
Von Elke Backert
Schafe, Schafe und noch mehr Schafe, und dazu ihre Lämmchen – wer mag sie nicht. So richtig zum Knuddeln, weich und wollig. Ein stetes beruhigendes Mäh hört, wer die holländische Nordseeinsel Texel besucht. Dort übertreffen die Schafe gar die Einwohnerzahl. Sie bevölkern die hohen Gras bewachsenen Deiche und nützen so ihrer Befestigung. Die Texel-Rasse sei eine besondere, heißt es, berühmt für ihr Fleisch und ihre Wolle. Jeder, der das zarte Fleisch gegessen hat, kann es bestätigen. Aber was macht der Schafzüchter mit der Wolle?
Sie wird gleich auf der Insel zu Bettdecken verarbeitet. Doch nicht nur. Eine einheimische Bäuerin erfand eine neue Verwendung: Woolness. Die erlebt man im Hotel Texel in De Cocksdorp (www.hoteltexel.com), bisher einmalig auf der Welt.
In Slip und Bademantel betritt der Gast einen Pavillon im Hotelgarten, wo bei intimer Beleuchtung und Kerzenschein zwei Holzbetten, ausgekleidet mit kuscheliger Schafwolldecke, auf ihn warten. Nun legt eine kundige Dame Hand an. Vom Hals über Rücken, Bauch und Beine umwickelt sie den Körper mit schalbreiten Wollstreifen, so dass der Mensch darunter einer Mumie nicht unähnlich sieht. Hände oder, wenn gewünscht, Füße salbt sie mit Wollfett, zieht Waschhandschuhe darüber und überlässt den Menschen für 25 Minuten sich selbst und seiner Entspannung. Die Körpertemperatur steigt an, es wird einem angenehm warm und wohlig. Eine rundum neue Erfahrung, die ein Drittel der Wolle einer Schafschur erfordert. Ideal für Paare, da sie zusammen in der Schafwolle, wenn auch in getrennten Betten, ruhen dürfen. Wie man beim späteren Abwickeln entdeckt, dringt das Lanolin der Wolle in die Haut ein und macht sie schön zart.
Doch sollte Woolness nicht der einzige Grund sein, Texel zu besuchen. Die flache Schafinsel mit ihren Wassergräben, niederländisch Sloote geheißen, verblüfft durch eine Vielfalt an Aktivitäten. Sie ist ein perfektes Ziel für Radfans aller Altersklassen. Denn der höchste „Berg“ misst gerade mal 15 Meter, heißt tatsächlich „Hoher Berg“ und ist ein Relikt aus der Eiszeit, durch die die Insel entstand. Unterhalb des „Bergs“ fließt eisenhaltiges Wasser, das, so erfährt man bei einer Inselsafari, für die Vereinigte Ostindische Compagnie lebenswichtig für die Besatzung der Segelschiffe war, da es sich lange frisch hielt.
Wie wohl ganz Holland, so ist auch Texel sehr kinderfreundlich. Allein das Schifffahrts- und Strandgut-Museum Kaap Skil am Hafen in Oudeschild (www.kaapskil.nl) bietet viel für Kinder, witzige Unterhaltung am Simulator, wo sie die Fähre von Den Helder auf dem Festland nach Texel steuern können. Am Computer, auf dem sie Personen- und Lastkraftwagen in der richtigen Reihenfolge auf die TESO-Fähre bringen müssen und dafür benotet werden. Ein anderes interaktives Spiel fordert auf, ein virtuelles Schiff vorwärts zu bewegen, dabei richtig zu steuern und nicht in die Sturmböe zu geraten, die Schiff mit Mann und Maus verschluckt. Gar nicht leicht, zumal drei Spieler gleichzeitig mitmachen können und man nicht nur nicht zu dicht an der Insel vorbeifahren darf, um nicht zu stranden, aber auch nicht mit einem der anderen Schiffe kollidieren. Die Großen sind ebenso begeistert dabei wie die Kleinen.
Eindrucksvoll zeigt eine Filmanimation in gerade mal zwanzig Minuten einen vollen Tag auf See. Hohe Wellen lassen die Segelschiffe schlingern, dann wieder liegt die See ruhig, aber stets ist das Meeresrauschen zu hören. Schon die Architektur des Museums ist außergewöhnlich schön genauso wie die Häuser, die sich um einen Galerieholländer gruppieren: ein Zimmermannshaus anno Uroma mit schickem Innenleben, eine Bäckerei und ein auf einem Sloot aufgebautes Herzchen-Klo. Auf ihm plumpsten die frischen menschlichen Ausscheidungen gleich ins Wasser und waren so auf einfache Weise entsorgt. Wäre heutzutage ein Unding.
Ein Haus voller Strandgut schließt sich an und lädt zum Entdecken, was die Nordsee auf Texel so alles an Land spült – von Nachttöpfen über Bojen, Besen, Rettungsringen und Flugzeugmotoren bis zu Drogen, Flaschen und neuen Schuhen. Aber jeweils nur der linke, der rechte wird wegen seiner Form von der Strömung nach England getrieben, erfährt der Besucher.
Eine zweite weit größere Ansammlung von am Strand gefundenen Dingen sieht man in Jutters Museum, dort sogar zwei Sexpuppen, denen der Mund zwar noch offen steht, aber die Luft ist raus. Gummihandschuhe scheinen der Renner zu sein, bei Jutters auf Holzzäune übergestülpt, bei dem anderen Museum zu einem dicken Stamm gebunden. Allmorgendlich setzen sich die Eigentümer der Museen einem Wettrennen aus, wer die besten Funde tätigt. Dennoch fürchten sie keine Konkurrenz, sie werden stets reich bestückt.
Texel sorgte zuletzt für Aufmerksamkeit, als ein Buckelwal strandete und starb. Noch größere Aufmerksamkeit erregte der gestrandete tote Pottwal. Denn für sein im Darm produziertes Amber interessierte sich sogleich die französische Parfüm-Industrie, flog ein und zahlte gutes Geld. Zu sehen als Replik im Ecomare (www.ecomare.nl) in De Koog, ein Zentrum für Watt und Nordsee und zugleich Seehund-Auffangstation. Die drolligen Seehunde mit den dunklen Kulleraugen begeistern jeden Besucher. Man lernt die ebenso verspielten Schweinswale kennen, Katzenhaie und die große Anzahl Vögel, die auf der Insel beheimatet sind oder als Zugvögel Rast machen. Es piepst, zwitschert und tiriliert im ganzen Raum – die Knöpfe zum Drücken und Hören der Vogelstimmen sind sehr beliebt.
De Koog an der Westküste mit seinen Dünenstränden ist der Touristenort schlechthin, während sich Den Hoorn im Süden zum Künstlerviertel mauserte mit Ateliers, Galerien, einem Theater samt Restaurant, einer Whisky-Bar, einem Sterne-Restaurant, hübschen Häusern und der Kirche aus dem 15. Jahrhundert mit später angebautem weißem Turm.
Hier ist auch das Landgut „De Bonte Belevenis“, „Die bunte Welt“, zu Hause. In zwei Scheunen erlebt man, wie Kerzen, Seife, Papier hergestellt werden, und man darf Bäckerei, Brauerei und die Destillerie besuchen.
Im Norden der Insel wacht ein Leuchtturm darüber, dass die Schiffe nicht ins Niedrigwasser geraten. Unzählige Wracks sollen hier auf Grund liegen.
Die 16.000 Hektar große Nordseeinsel kann Holland im Kleinformat darstellen. Zur Hälfte ist sie Naturschutzgebiet, zur Hälfte wird Ackerbau betrieben. 45.000 Betten stehen Touristen zur Verfügung, denn der Fremdenverkehr rangiert vor der Landwirtschaft an erster Stelle. Wer möchte, kann viel unternehmen, etwa eine Käserei besuchen und Texel-Käse von der Kuh, vom Schaf und von der Ziege kaufen. Er darf sogar den Kuhstall besichtigen, ohne dass er Gummistiefel braucht. Es gibt einen Flugplatz für Rundflüge, wo man auch Fallschirmspringen machen kann, einen 18-Loch-Golfplatz mit einzigartigen Dünenbahnen, Campingplätze in den Dünen und schöne Hotels mit hübschen und ausgefallenen Dekorationen, deren Speisesaal mit Kamin wie ein gemütliches Wohnzimmer anmutet und in denen man sich zu Hause fühlen kann. Wer Pommes frites liebt, sollte sie bei „Veronica“ essen, einem Imbiss am Hafen. Sie gelten als typisch holländisch, denn sie sind aus Kartoffelpüree gefertigt und schmecken himmlisch. Dazu passt das Schollenfilet, in Butter in der Pfanne gebraten, ein Gedicht.
Info: www.texel.net
Fotos Elke Backert