Zu Gast beim Märchenkönig

130 Jahre nach dem Tod immer noch allgegenwärtig – der Kini und der Chiemsee

lustige Ruderpartie zur Insel Herrenchiemsee
lustige Ruderpartie zur Insel Herrenchiemsee

Noch ein kräftiger Schubs, und die  „ Auguste“ gleitet ins Wasser. Breitbeinig sucht sich jeder einen Platz in dem schwankenden Gefährt. Dann bringen Ruderer das nostalgische Boot aus Holz in Fahrt zur nur 300 Meter entfernten Insel Herrenchiemsee. Unterwegs ist eine Gruppe von Radlern auf Erkundung des Chiemsee-Alpenlandes wo der Märchenkönig immer noch allgegenwärtig ist. Auf König Ludwigs Spuren starteten die Radfahrer zum „Königlichen Triathlon“ am Bahnhof in Rimsting wo der bayrische Monarch in den Jahren 1881 bis 1885 dem Hofsonderzug entstieg auf dem Weg zu seinem geplanten Schloss. Auf verschlungenen Wegen, zwischen Schilf, Parks und entlang der Wasserlinie radelt man entspannt mit Blick über verträumte Buchten. Wer keine Räder dabei hat, kann sie am Ortsrand von Prien ausleihen.
kleine Rast während der Radtour
kleine Rast während der Radtour

Mit den drei Disziplinen radeln, rudern und wandern begibt man sich heute auf eine Reise in die Vergangenheit. Am gegenüber liegenden Ufer kommt man nach der Anlandung bei der Kreuzkapelle vorbei, in der Ludwig II. sich für die Weiterreise mit der Kutsche umzog. Kleiderordnung? Das ist wohl heute kein Thema mehr. Wer am Triathlon teilnimmt ist sportlich und praktisch angezogen. Im ehemaligen Augustiner-Chorherrenstift, auch als „altes Schloss“ tituliert, überwachte Ludwig vom „blauen Zimmer“ aus die Baufortschritte seines Traumschlosses. Die Räumlichkeiten waren aber auch in der Neuzeit von Bedeutung.  In den so genannten Verfassungsräumen einigte man sich 1948 auf den Text des Grundgesetzes.
Was der König seinerzeit wohl nicht wahrnahm, begeistert heute viele Gäste: die idyllische Lage der Insel im See, umrahmt von Bergen natürlich verbunden mit einem herausragenden Kultur-Denkmal. Das lockt Menschen aus aller Welt an diesen Ort.
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Foto ganz oben: Brunnenanlage vor dem Schloss
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Inspiriert von den Bauten der absolutistischen Bourbonen-Könige Frankreichs plante Ludwig II. 1867 im Graswang-Tal neben der einstigen Jagdhütte Max II. eine Kopie des Schlosses von Versailles. Doch für den bombastischen Bau erwies sich das enge Tal zu klein.  Nach mehreren Bauabschnitten von 1870 bis 1886 entstand dann Schloss Linderhof. Für den Bau ließ Ludwig Holz aus der Umgebung verwenden. Der anschließend aufgetragene Verputz verlieh dem hölzernen Gebäude ein vornehmeres Aussehen. Bemerkenswert, dass der König etwa zu diesem Zeitpunkt die Lohnfortzahlung für seine Arbeiter im Krankheitsfall einführte.
Bedenken gegen die Baustätte
„Seine Majestät sind für die hiesige Gegend sowohl als für den See nicht eingenommen und hätten für beide keine Vorliebe, die Kunst alleine müsse dieses Unangenehme angenehm machen, und Gegend und See vergessen machen.“ Und weiter heißt es: „Seine Majestät kann es nicht verschmerzen, dass der Bau am Chiemsee und nicht in Linderhof steht.“ Diese Aussagen von einem Lakaien Ludwigs zeugen von seinen Bedenken gegen die Baustätte.
Die Insel im Chiemsee war zweite Wahl die Träume des glücklosen Königs zu verwirklichen. Ihre isolierte Lage gab den Ausschlag. Er bot wesentlich mehr Geld für den Kauf, als die Holzfäller, welche das Eiland roden wollten. Überhaupt sollte Herrenchiemsee das teuerste seiner Schlösser werden, die Ludwig u. a. mit seinem Privatvermögen und diversen Krediten finanzierte. Angeblich gab er soviel Geld aus wie für Schloss Linderhof und Neuschwanstein zusammen, nämlich ungefähr 16,6 Millionen Mark. Für die Innenräume verwendete man 4,5 Kilogramm Blattgold.
Seine wachsende Unlust an Regierungsgeschäften und die ständig steigenden Kosten erregten den Unmut der bayrischen Regierung. Die erklärte ihn kurzerhand für nicht regierungsfähig. Bis heute ist das Geheimnis um seinen Tod im Starnberger See nicht gelüftet.
Ludwig, der nur wenige Tage im neuen Schloss verbrachte wollte seine Bauten nie der Öffentlichkeit zugänglich machen. Nach seinem Tod sollten sie abgerissen werden. Unglaublich ist diese Vorstellung für jeden der die Prachträume besichtigt. Allein die unvollendeten Seitenflügel fielen dem Abriss zum Opfer so dass der Besucher nur das Hauptgebäude mit seiner kunstvollen Ausstattung und den im Park befindlichen wunderbaren Wasserspielen bestaunen kann. 130 Jahre sind vergangen seit Ludwigs Tod. Der nur 41 Jahre alte , 130Kilogramm schwere und von Zahnschmerzen geplagte bayrische König scheiterte an seiner gespaltenen Persönlichkeit.
Glücklicherweise befolgte niemand diesen Wunsch Ludwig II. das Gebäude zu zerstören. Um die Schulden zu tilgen gab man schon kurze Zeit nach seinem Tod das Schloss zur Besichtigung frei.
sommerlicher Bootsverkehr
sommerlicher Bootsverkehr

Ein Gang über die Insel ist beschaulich. Uralte Bäume säumen den Weg. Nur Wenige verlassen die Hauptwege. Kühe grasen träge in der Sonne. Anscheinend haben 16 Fledermausarten hier ihr Zuhause. Doch die „Auguste“ wartet schon auf die Rückfahrt.
Der „Kini“ und die Lederhosen
Das Kini Bild wird eingefügt
Das Kini Bild wird eingefügt

Scheinbar mühelos durchsticht die Nadel den festen Stoff, um dem aufgezeichneten Edelweiß Struktur zu geben. Traudi Messerer Hosenträgerstickerin in Prien, widmet sich mit Schwiegervater Josef dem Teil der Tracht, welche die Lederhose an Ort und Stelle hält, den Hosenträgern.
Schwiegervater Josef fertigt den Steg
Schwiegervater Josef fertigt den Steg

Nun ist Hosenträger nicht gleich Hosenträger. Als besonderes Schmuckstück sticht der Steg auf der Männerbrust ins Auge. Und dieses Teil wird von Traudi kunstvoll bestickt. Als Grundmaterial verwendet sie zwei Stofflagen, die mit „Mehlpapp“, einem Gemisch aus feingemahlenem Roggenmehl und Wasser als Klebstoff verbunden werden. „Der ist viel elastischer als irgendein chemischer Leim“, verrät sie das Geheimnis. Sie macht einen entspannten Eindruck, während die Nadel fast von selbst die Arbeit verrichtet. Neben dem Arbeitsaufwand für eine große Familie vermieten die Messerers noch Gästezimmer, und drei Schafe wollen auch gemolken und versorgt werden.
Traudi Messerer zeigt die Vorlagen für Initialen
Traudi Messerer zeigt die Vorlagen für Initialen

Von ihr erfährt man die Vorgeschichte wie sie zu diesem „Hobby“ kam:  Ein befreundeter Säcklermeister, das ist ein Lederhosenhersteller, hat vor seinem Tod die Tradition weiter gegeben. Sie haben die Technik übernommen und verfeinert. Das Nähen der Muster ist nur einer von vielen Arbeitsgängen. Schwiegervater Josef bearbeitet die Lederriemen. Er unterlegt sie mit weichem Schweinsleder, stanzt Muster aus. Selbst Führungslaschen für die Träger sind handgefertigt. Sie dürfen nicht zu groß sein, sonst rutscht das Ganze. Werkzeug und Zubehör sind eigenhändig für die speziellen Arbeiten hergestellt.  „Für´s Sticken vom Steg brauch i 25 Stunda“,  schätzt Traudi. Für das Einpassen von König Ludwigs Konterfei benötigt Josef ungefähr drei. Insgesamt kommt man bestimmt auf 40 Arbeitsstunden. Dafür ist der Preis für solch eine Handarbeit von 300 Euro viel zu wenig.  Tracht ist gerade in. Keiner weiß wie lange das so bleibt. Ob der König selbst jemals eine Lederhose getragen hat ist nirgends vermerkt.
Traudi Messerer mit Schwiegervater Josef
Traudi Messerer mit Schwiegervater Josef

„Die san für meine Enkel.“ Josef zeigt stolz die mit Pfauenfedern bestickten Beutel. Ganz fein spleist man die langen Kiele auf. Die daraus entstandenen weichen Fäden werden als Stickmaterial verwendet. Der Ledererhof, wo die Traudi und der Josef daheim sind  liegt nur wenige Gehminuten von Priens Stadtmitte entfernt. Der etwas vom See zurückversetzte Kneipp- und Luftkurort verbreitet mit zahlreichen Restaurants und Cafés eine gemütliche Atmosphäre. Eine nostalgische Dampfstraßenbahn verbindet seit 1887 den Bahnhof mit dem Hafen in Stock. Im Heimatmuseum geben alte Bauernstuben und Werkstätten Einblick in den Alltag vor über 100 Jahren. Eindrucksvoll auch die Gemäldeausstellung der Chiemsee-Künstler im Obergeschoss des Museumshauses.
Spiegelsaal im Schloss Herrenchiemsee
Spiegelsaal im Schloss Herrenchiemsee

Am Ufer sitzend geht der Blick über das „bayrische Meer“ und die dahinter liegenden Berge und man ist sich mit dem aus der Gegend stammenden Ludwig Thoma einig:  Ein Platz, wo Frieden und Feierabend sich tiefer ins Herz senken als irgendwo sonst auf der Welt.
Informationen:
Bei Chiemsee- Alpenland-Tourismus können u.a. folgende Angebote gebucht werden:
Der „Königliche Triathlon“ eine gemütlich geführte Tour auf den Spuren Ludwigs II. Man erfährt Spannendes und Amüsantes aus dem Leben des Märchenkönigs.
„Chiemsee, König und Kanonen“. Eine geführte Radtour nimmt die Teilnehmer mit auf eine Reise durch die Jahrhunderte.
„Sonnenkönig und Schneerahmtörtchen“. Exklusive Führung, Lesung und Menü mit dem König-Ludwig-Biografen Marcus Spangenberg, Einkehrmöglichkeit auf der Insel u. a. in der Schlosswirtschaft auf Herrenchiemsee, entweder im Biergarten oder zu einem „königlichen Menü“ das am 30. Juli von Marcus Spangenberg dem König Ludwig Biografen mit Anekdoten begleitet wird.
Sehenswert: Das König-Ludwig-Museum im Schloss zeigt Porträts und Familienfotos, sowie Erinnerungsstücke.
Ausstellung vom 15. Juli bis 23. Oktober in Prien: „Traumschlösser?“ Bauten Ludwigs II. als Tourismus- und Werbeobjekte.
Unterkunft direkt am See: z. B. Yachthotel Chiemsee
www.yachthotel.de

Alle Veranstaltungen und Angebote zum Thema König Ludwig II. finden sich unter
www.chiemsee-alpenland.de
oder können telefonisch erfragt werden im Chiemsee-Alpenland Infocenter unter 08051-965 550, oder per E-Mail unter:
info@chiemsee-alpenland.de
Reiseliteratur: „Unterwegs in Bayern“; der aktuelle Reiseführer aus dem Kunth Verlag mit einer Auswahl der schönsten Reiseziele, Hintergrundinformationen zum Brauchtum, Vorschläge zu Reisetouren und Stadtrundgängen, sowie einem detaillierten Atlasteil, Format 18,5 x 26,6 cm, Flexobroschur, ISBN 979-3-95504-137-3; Preis (D) 19,95;
www.kunth-verlag.de
Text:     Monika Hamberger
Fotos:     Rainer Hamberger

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Rainer Hamberger

Autor Kurzvorstellung:

Monika und Rainer Hamberger haben alle Erdteile mehrfach besucht zwischen dem 80. Breitengrad im Polargebiet, bis hinab zur Antarktis. Rainer hat über 12 Bildbände aus 5 Erdteilen herausgegeben. Es liegen ihnen Reiseziele besonders, wo authentische Erlebnisse möglich sind. Er ist meist der Fotograf, während Monika für die Texte verantwortlich zeichnet. Ihre Reportagen erschienen in den großen deutschen Zeitungen, sowie bei DuMont, Baedeker, Merian, Geo-Spezial und anderen Magazinen. Bei Reise-stories sind sie seit 6 Jahren Autoren.

Hinweis: Dieser Beitrag wird regelmäßig von Mitgliedern der Reise-Stories Redaktion wie Heiner Sieger, Gerhard Fuhrmann und Jupp Suttner auf Richtigkeit und Vollständigkeit geprüft. Falls Sie Anmerkungen zu diesem Beitrag haben, kontaktieren Sie bitte direkt hier die Redaktion.

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