Liegt der Entdecker Amerikas (1492) nun in der Kathedrale von Sevilla begraben oder in der Hauptstadt der Dominikanischen Republik? Wie dem auch sei: der von vier Statuen flankierte Sarkophag aus Bronze und Alabaster – sie symbolisieren die vier Königreiche León, Kastilien, Aragon und Navarra – wird eine der Touristenattraktionen bleiben. Denn die Legende weiß: Es bringt Glück, mit der Hand über den nackten Fuß der León-Statue zu streichen. Er ist schon blitzblank gerieben.
Sevilla, quirlige Hauptstadt der gleichnamigen Provinz, Sitz von Regierung und Parlament der autonomen Region Andalusien und viertgrößte Stadt Spaniens, liegt am Fluss Guadalquivir und ist an Schönheit und pulsierender Lebensfreude kaum zu übertreffen.
Prachtstraßen laden ebenso zum Flanieren und Einkaufen ein wie das Labyrinth verwinkelter enger Gässchen des ehemaligen Judenviertels Santa Cruz. Durch kunstvoll geschmiedete schwarze Fenster- und Balkongitter leuchten kontrastreich rote Geranien an kalkweißen Fassaden. Offene Türen erlauben einen Blick in blumenübersäte Patios, jene schattig-kühlen Innenhöfe.
Mittags, abends, nachts ist ir de tapas angesagt. Zusammen mit Freunden geht man „Appetithappen“ essen. Von Bar zu Bar, von Taverne zu Taverne. Verführerisch duften von der Decke hängende Schinken, Teller mit kleinen Köstlichkeiten machen Appetit. Man steht am Tresen oder setzt sich an winzige Tische und wartet, dass der Kellner immer neue unterschiedlich belegte Teller nachschiebt: langostinos, gambas al pil pil, Shrimps in heißem Knoblauchöl, boquerónes, sauer eingelegte Sardellen, coquinas del mar, conchas finas und almejas, drei Muschelarten, Tintenfischringe, winzige frittierte Fischlein, die wie Spätzle mit Augen aussehen oder wie Streichholz-Pommes. Man staunt über das große Angebot an Meerestieren: Sevilla ist nur gut zwei Stunden vom Atlantik entfernt. Es können folgen: zarte kleine Fleischfilets, Stierschwanz-Stückchen, croquetas, mit Hühnchen oder Fisch gefüllt, tortilla, herzhaftes Kartoffelomelett. Alles mundgerecht portioniert. Nicht zu vergessen Scheiben vom luftgetrockneten Jabugo-Schinken oder dem Pata negra vom Iberischen Schwarzen Schwein, der einem schon beim Anblick den Mund wässrig macht. Dazu der wohlschmeckende Manchego-Käse. Allein die Vielfalt an Oliven ist verlockend. Dazu trinkt man una copa, in der Regel natürlich gleich mehrere Gläser: Fino oder Amontillado, gemeint ist der trockene oder halbtrockene Sherry. Ebenso passend ist Manzanilla, ein Sherry-artiger trockener Wein aus Sanlucár de Barrameda am Atlantik. Salud, amor y dinero, Gesundheit, Liebe und Geld wünschen die Spanier beim Zuprosten, und Stimmung und Lautstärke steigen von Glas zu Glas.
Gern wechselt man die Tapa-Bar, denn die nächste verführt mit einer anderen Auswahl. Auch die älteste Bar Sevillas serviert Tapas, El Rinconcillo, Das Eckchen. In derselben Straße, Calle Gerona, versteckt sich das zentral gelegene Hotel Don Pedro, ein ehemaliger Palast. Zwar nur mit zwei Sternen bestückt, verblüfft es mit elegantem Entree: Marmorfußboden, hübschen alten Kacheln, imposanter Treppe, verspieltem Brunnenplätschern, Korbmöbeln, und kleinen, aber feinen ruhigen Zimmern.
Was wäre die Stadt von Carmen ohne Tänzerinnen mit schwarzem streng zurück gekämmtem Haar, mit roter Blume und wirbelnden farbintensiven Volantkleidern. Wenn sie mit Kastagnetten klappern und kunstvoll aufstampfend zu Gitarre und rhythmischem Klatschen tanzen, offenbart sich das feurige Temperament von Andalusiern und Spaniern gleichermaßen und von Sevillanern im Besonderen. Kein Einheimischer kann es sich verkneifen, verbal mitzumischen. Zumindest aus Männermund kommt des öfteren ein Olé! Im Tablao El Arenal kann man eine Flamenco-Show mit einem Abendessen kombinieren.
Die Flamenco-Biennale von Sevilla ist die größte Flamenco-Veranstaltung weltweit. Alle zwei Jahre pilgern Flamenco-Fans, Profis wie Amateure, nach Sevilla. In 2016 findet die große Flamenco-Show vom 8. September bis zum 2. Oktober statt.
Vieles ist in Sevilla sehenswert, an erster Stelle wohl die Kathedrale mit La Giralda, dem Wahrzeichen der Stadt, und der königliche Festungspalast Alcázar mit seinen arabischen Gärten und Wasserspielen. Besucht König Juan Carlos Sevilla, wohnt er in dieser Symphonie von Stuckornamenten, farbigen Kacheln, vergoldeten Kassettendecken und arkadenreichen Innenhöfen.
Ob man einen Stierkampf, eine Corrida, besucht, muss jeder für sich entscheiden. Immerhin ist die Arena von Sevilla die größte und eine der berühmtesten Spaniens.
Aber den Glockenturm des ehemaligen Minaretts sollte man ersteigen. Auf die Giralda führen statt Stufen steinerne Rampen. Damit man auf Pferden hoch reiten konnte. 34 plantas, Stockwerke, zeigt der Turm an. Die Ausstellungsstücke in den Nischen gönnen einem Verschnaufpausen. Jedes der vergitterten Balkonfenster bietet neue Ansichten von Stadt und Kathedrale. Oben angekommen, belohnt den Neugierigen ein grandioser Rundumblick und zur vollen Stunde heftiges Glockengeläut.
Info: Spanisches Fremdenverkehrsamt Berlin, www.turismo.sevilla.org
Fotos Elke Backert