Es hat die ganze Nacht geschneit. Von Sonntag auf Montag. Von 25. auf 26. April 2016. Das Dorf ist leer. Obertauern, 200 Einwohner, 10 000 Gästebetten, erinnert an eine Geisterstadt. In welcher nun die Renovierer das Zepter ergreifen. Ein Möbelwagen blockiert die halbe Hauptstraße. Ein anderer Möbelwagen tuckert heran und parkt daneben. Der Fahrer springt aus dem Fond. Der Kollege des bereits eingetroffenen LKWs gleichfalls. Und beginnt sofort zu brüllen: „Sepp – hast DU aa Deine Ski a dabei???“ Der Sepp: „Ja freili!!!!“ Was bedeutet: Nach dem Abladen werden die beiden sich einladen – in einen der Lifte, die noch laufen. Und werden ein paar Abfahrten hin legen. Auf allerbestem Schnee. Denn es hat wie gesagt die ganze Nacht geschneit. Und es schneit immer noch, auch jetzt, am Montag Vormittag. Was für ein wunderbarer Wochenbeginn.
________________________________________________
ABGEFAHREN! Die Ski-Reporter von Reise-Stories.de unterwegs im Schnee. Jede Woche wieder! Um aktuell zu schildern, wie es auf den Pisten von ……. gerade aus sieht. Dieses Mal: So war es am gestrigen Dienstag, 26. April 2016, und am vorgestrigen Montag, 25. April 2016, in Obertauern im Salzburger Land.
Foto oben:
Momentan menschenleere Traumpisten in Obertauern – hier das Zehnerkar.
Fotocredit & Copyright aller Fotos dieses Reports:
Jupp Suttner. Sämtliche Bilder wurden aufgenommen am 26. April 2016.
Text:
Jupp Suttner
__________________________________________________
Auch wir werden heute noch anschnallen. Schlendern aber zuerst mal durch den Ort. Und stellen fest: Tote Hose ohnegleichen. Die Bäckerei hat zu, der Spar hat zu, alle Cafès und Restaurants haben zu, alle Hotels haben zu.
Bis auf eines: das Alpina. Ein 4-****-Haus – welches wir bereits im Januar lieben gelernt haben. Denn es sorgte dafür, dass die Kids des Kinderski-Kurses in der Mittagspause eine anständige Verpflegung bekamen. Für wenig Geld. Ein großes Herz für die Kleinen also, das die Wirtsleute damals an Tag legten. Ein nettes Paar, die Betreiber:
Sie, die Elisabeth, vom Tal unten stammend.
Er, der Matthew, aus Florida kommend.
Kennen gelernt haben die beiden sich bei Hotel-Jobs in Idaho. Jetzt haben sie drei Kinder und „der fesche Ami-Boy“, wie ein Einheimischer ihn mal uns gegenüber nannte, gehört bereits zur Freiwilligen Feuerwehr von Obertauern. „Wenn Alarm ist“, erzählt seine Frau Elisabeth, „hüpft er sofort aus dem Bett!“
Jedenfalls checken wir hier für eine Nacht ein. Dann holen wir uns Ski vom Peter Holzner, einem Obertauerner Urgestein, der für sich selbst zwei Meter lange Latten fährt. „Für die Gamsleiten 1-Abfahrt“, so der Harley-Biker, „brauche ich damit einen einzigen Schwung.“ Und für die rabenschwarze Gamsleiten 2-Strecke? „Da brauche ich zwei Schwünge.“
Er betreibt den Sportshop „Skiworld“ – die einzige Möglichkeit zur Zeit, in Obertauern an Leih-Brettl zu kommen. Bis Sonntag 1. Mai. Dann machen nicht nur das Alpina und der Holzner Peter dicht für diesen Winter, sondern auch alle Lifte.
* * *
DIENSTAG. Warum wir nach Obertauern fuhren? Ganz einfach. Um den letzten Ski-Tag der Saison zu zelebrieren. Natürlich wäre es auch ein hübsches Finale gewesen vor zwei Wochen, als wir im Ötztal eine klasse Schluss-Abfahrt hatten und uns anschließend im James Bond-Bergrestaurant Ice-Q ein Gala-Mahl uns einverleibten. Doch es war nicht möglich, auf Ski nach Sölden hinab zu gurken. Wir mussten die Gondel benutzen. Und den letzten Skitag der Saison mit einer Bergab-Gondelfahrt zu beenden?
Geht einfach nicht.
Am letzten Tag des Winters muss man auf SKI bis ins Tal hinab fahren können. Um dort dann abschnallen und „Servus Winter“ sagen zu können. Der allerletzte Schwung der Saison muss sozusagen direkt am Auto enden. Dann die Brettl rein werfen und ab in den Frühling.
Deshalb also Obertauern. Denn der Ort liegt auf 1.750 Metern Höhe – da kann man im April leicht noch bis tatsächlich in den Ort hinab carven. Auserwählt haben wir uns für das Grand Finale das Zehnerkar. Stundenlang cruisen wird dort umher (denn die Verbindung zur Gamsleiten ist bereits gesperrt, was bedeutet, dass keine Tauern-Runde mehr machbar ist). Und die Pisten offenbaren sich in einer Leere ohnegleichen – kaum mehr Menschen auf Ski unterwegs! Der Traum schlechthin! Das ganze Skigebiet fast nur für uns! Bei prachtvollstem Schnee!
Run um Run verschieben wir den Abschied vom Skiwinter.
„Ein Mal noch!“.
Ja.
„Ein Mal noch!“.
Ja.
Und so geht es ewig weiter
Aber dann ist es so endgültig. Die nächste Abfahrt wird die letzte sein. Weshalb wir vorher noch oben am Gondelausstieg bei der Michi einkehren. Die Michi ist
die Chefin der Gamsmilchbar, wo wir zuerst die letzte Kaspressknödelsuppe des Winters genüsslich in uns gleiten lassen – und anschließend natürlich der Kehle auch noch die berühmte Gamsmilch gönnen: Spezieller Rum, spezielle Milch, ziemlich stark. Denn es gilt ja stark zu sein für den Abschied vom Winter.
Servus Michi – bis zum Oktoberfest in München! Da kellnert sie seit Jahren beim Käfer, gleich hinter der Musikkapelle.
Dann geht’s Richtung Tal. Einen Genuss-Schwung nach dem anderen legen wir hin, keine Eile mehr, sondern nur noch sanftes Schweben. Singen in Gedanken nach der Melodie von Paul Ankas „Put Your Head On My shoulder“ ein ebenso sentimentales „Put Your Ski On My Shoulder“, schwingen zwischendrin ab, um sich noch einmal so richtig die weiße Welt an zu sehen.
Und fahren weiter – ein paar Schwünge für des Reporters vor einigen Jahren verstorbenen Firm-Paten Adi (geboren 1933, deshalb der anrüchige Name), mit dem der SdZ (Schreiber dieser Zeilen) vor vierzig Jahren das Inferno-Rennen in Mürren bestritt.
Ein paar Schwünge für den gleichfalls bereits beerdigten Papa des Reporters, der immer so viele Naturfreunde-Riesenslaloms gewonnen hatte und dem Sohn bis zuletzt davon fuhr.
Ein paar Schwünge für die Tante Betty, weil die den Schnee zu Lebzeiten auch immer so geliebt hatte.
Und natürlich ein paar ganz besonders schöne Schwünge für die Irene, die Ex, die das Skifahren zwar nie gemocht, aber es immer erduldet hat, wenn der Reporter Richtung Berge davon fuhr.
Vielleicht cruisen die vier da oben oder sogar direkt neben uns ja mit. IN uns sowieso.
Und ein paar Schwünge schließlich auf eine lustige Zukunft, die es immer und immer und immer wieder geben wird.
Auf die Unbändigkeit des Skispaßes.
Auf die Lust an Schnee und Après und Juchhe.
Dann sind wir unten. Schauen theatralisch wie der Trenker Luis nach oben. Schnaufen durch. Und grüßen:
Servus Winter!
Guad warst!
Und im Novemba – seng ma uns wieda…
Jupp Suttner
Infos über das Skigebiet: www.obertauern.com
Infos über das Hotel: www.alpina.co.at
Infos über den Skiverleih: www.skiworld.at
Infos über die Gamsmilchbar: https://www.facebook.com/Gamsmilchbar-Obertauern-279933158064/
Infos über die Region: www.salzburgerland.com
Infos über das Land: www.austria.info
Und so berichtete unsere Autorin Heidi Siefert vor zwei Wochen – als noch alles in Betrieb war – über Obertauern:
https://reise-stories.de/abgefahren-noch-immer-beste-bedingungen/