Baku – zwischen Orient und Okzident 

Die Metropole Aserbaidschans wird oft unterschätzt. Dabei gibt es in der Stadt am Kaspischen Meer, die sich mit herausragenden Bauwerken zum Hot Spot zwischen zwei Welten positioniert, viel zu entdecken.  

Milde Sonnenstrahlen tauchen den bizarr geformten Maiden Tower in der Altstadt Bakus in warmes Licht. Über Jahrhunderte galt der so genannte Jungfrauenturm, um den sich zahlreiche mittelalterliche Legenden ranken, als Wahrzeichen der Stadt. Heute lösen sich die architektonischen Eye-Catcher schon innerhalb weniger Jahre gegenseitig ab. Der als riesige Blüte stilisierte Chrystal Palace an der Bucht von Baku etwa, der zum Eurovision Song Contest 2012 seine Pforten öffnete, wurde in seiner Rolle als City Icon schon ein Jahr später von den Flames Towers abgelöst.

Wie züngelnde Flammen ragen die drei jeweils über 200 Meter hohen Türme aus Stahl und Glas in den nächtlichen Himmel. In Anspielung auf Aserbaidschans Beinamen „Land des Feuers“, der sich sowohl auf die feuergläubigen Zoroastrier als auch auf das Gasvorkommen bezieht, sollen die drei Flammen, die auch das Stadtwappen zieren, das Element Feuer symbolisieren. Tausende LED-Leuchten erzeugen den Zauber der Lichteffekte in den Nationalfarben des Landes. In einem der Türme spiegelt das Fairmont-Hotel mit seinem gigantischen Kronleuchter in der Lobby den Luxus im Stil Dubais wider. 

Die atemberaubende Geschwindigkeit, in der sich die Zwei-Millionen-Metropole mit ikonischen Solitären ein modernes Gesicht verpasst hat, lässt ahnen, dass Baku den Muff der Sowjet-Ära schnell hinter sich lassen will. Mit den spektakulären Bauwerken internationaler Star-Architekten hat die Stadt ein deutliches Zeichen des Aufbruchs in eine moderne Zukunft gesetzt. Gleichwohl ist das Parlament in einem der nüchternen Sowjet-Bauten untergebracht, die zwischen der Besetzung durch die Bolschewiki 1920 und der Befreiung 1991 zwischen die islamisch geprägte Altstadt und die Viertel der mondänen Gründerzeitvillen geklotzt wurden. 

Blickfang ist das einzigartige Heydar-Aliyev Kulturzentrum von der irakisch-britischen Architektin Zaha Hadid, das sich auf einem weiträumigen Platz im Stadtzentrum ausbreitet. Nie zuvor habe sie ein so fließendes Gebäude entworfen, sagte die weltberühmte Architektin, die bis zu ihrem Tod 2016 weltweit beispielhafte Bauwerke erschaffen hat. Ohne schroffe Ecken und kantige Winkel fließt die weiße Außenhaut geschmeidig wie eine weiche Welle über den Platz und wirkt dabei fast dynamisch. Auch im Inneren kommt das nach dem ehemaligen Präsidenten benannte Gebäude ohne sichtbare Stützen und Säulen aus. Neben dem spektakulären Bauwerk, das für das Nationalmuseum sowie Konzerte und Konferenzen konzipiert wurde, zählen die Flames Towers, die Crystal Hall und nicht zuletzt das futuristische Teppichmuseum zu den Highlights der modernen Architektur in Baku. Offensichtlich reichen die Erträge, die Aserbaidschan mit seinem Öl und Gas noch heute auf dem Weltmarkt verdient, auch für den zweiten Bauboom, der nach der letzten Jahrtausendwende eingeläutet wurde.

Vor über 100 Jahren sprudelte mit dem „schwarzen Gold“ erstmals immenser Reichtum ins Land und löste den ersten Bauboom aus. Für den Nachbau pompöser Jugendstilpaläste, die neureiche Ölbarone auf ihren Europareisen gesehen und bewundert hatten, engagierten sie Architekten aus Deutschland und Polen. Hinter den Mauern der eleganten Villen verbergen sich oft abenteuerliche Geschichten. „Jeder Stein hat hier etwas zu erzählen“, sagt Fuad Akhundov.

Auf seinen Stadtführungen, die er „Mysteries of Baku“ nennt, holt der passionierte Forscher historischer Architektur immer wieder historische Fotografien aus seiner großen Tasche, gleichsam als Beleg für seine Geschichten. Damals kam über die Hälfte des weltweit gelieferten Öls aus Aserbaidschan. Das lockte Spekulanten aus dem In- und Ausland, zu denen auch die Rothschilds und die schwedische Familie Nobel zählten. Mit extravaganten Jugendstilbauten stellten die neuen Aristokraten ihren Reichtum zur Schau. 

Als Blaupause des heutigen „House of  Happiness“, dem Standesamt der Stadt, diente dem einheimischen Ölmagnaten Murtuza Muchtarov ein Jugendstil-Palast in Berlin. Nach seiner Heimkehr ließ er das monumentale Gebäude als Valentinsgeschenk für seine Frau bauen. Der neue Geldadel übertraf sich damals gegenseitig mit mondänen und reich verzierten Bauwerken. Doch als die Rote Armee 1920 Baku stürmte, brannte sie einige der noblen Villen nieder. Damit wollten die Sowjets dem Kapitalismus ein Ende setzen.

Die schönsten Häuser verschonten sie indessen und wandelten sie in kommunistische Institutionen um. In die repräsentative Villa der Rothschilds etwa zogen zunächst sowjetische Parteiführer ein, bevor sie zu Bakus Nationaler Kunstgalerie wurde. Weniger prätentiöse Gebäude wurden in schmucklose kleine Wohnungen unterteilt, an denen der Zahn der Zeit während der sieben Jahrzehnte Sowjetherrschaft deutlich genagt hat. Mit dem neuzeitlichen Bauboom erstrahlen auch etliche Gründerzeitvillen nach aufwendiger Restaurierung wieder in neuem Glanz. 

Zurück in der Unesco geschützten Altstadt. Der Schirwanschah-Palast aus der muslimischen Dynastie mit seinen dicken Mauern, der alten Moschee, dem Hamam und den Teppichhändlern erinnert an vergangene Zeiten, als die günstige Lage an der Seidenstraße Baku schwunghaften Handel bescherte. In den historischen Karawansereien, in denen die Händler damals einkehrten, ist Gastfreundschaft noch heute Ehrensache.

Die Vielfalt der Landschaften und die Einflüsse der unterschiedlichen Volksstämme, die sich in Aserbaidschan im Laufe der bewegten Geschichte ansiedelten, waren nicht zuletzt für die Esskultur prägend. Das traditionelle Gericht „Plov“ etwa, das aus Reis mit Fisch oder Fleisch und Obst besteht, wird in über vierzig verschiedenen Varianten zubereitet. Auch die Teezeremonie gehört seit vielen Generationen zur Abrundung einer Mahlzeit.   

Text und Bilder: Renate Wolf-Götz

Info

Anreise: Flug: München – Baku mit Stopp in Istanbul,

Unterkunft: Das zentral gelegene Courtyard by Mariott wurde im historischen Stil neu gebaut und kombiniert Tradition und Moderne. Neben einigen Sehenswürdigkeiten ist auch die Uferpromenade fußläufig erreichbar. Preise pro Person und Nacht ab 95 €.www.mariott.com

Das Fairmont Hotel im Flame Tower Komplex bietet einen Panoramablick über die Stadt und das Kaspische Meer. Preise pro Person und Nacht ab 190 €. https://all.accor.com

Das Art Club Boutique Hotel mit elegantem Restaurant und Bar liegt mitten in der Altstadt, 200 m vom Shirwanschah-Palast entfernt. Preise pro Person und Nacht ab 50 €, https://artclub.az

Essen und Trinken: Im Chayki Restaurant am Baku Boulevard werden traditionelle azerbaidschanische Gerichte zu erlesenen einheimischen Weinen serviert. Die helle, freundliche Einrichtung strahlt eine gemütliche Atmosphäre aus. https://wolt.com

Das Mugham Club, ein kaukasisches Restaurant in der Karawanserei der Altstadt mit Life Musik auf historischen Instrumenten zu traditionellen Speisen und Getränken wie dem alkoholfreien Granatapfelwein erinnert an ein Märchen aus 1001 Nacht. www.azrestoran.az

Das stylische The Cheese Restaurant in der Heydar Aliyev Avenue bietet sich auch zum Essen vor oder nach einer Aufführung im nahen Konzerthaus Mugham an. www.the-cheese.club

Kulinarische Traditionen: Teezeremonien haben in Aserbaidschan eine lange Tradition. Dazu wird Baklava in einheimischer Rautenform gereicht. Auch der Weinanbau mit Lagen von der kaspischen Küstenregion bis zu bergigen Rebhängen um Meyseri hat eine lange Geschichte. Kaviar vom  Beluga Stör aus dem Kaspischen Meer gilt weltweit als Delikatesse. 

Sightseeing: Das historische Icherisheher in der Altstadt gilt mit dem Palast der Schirwanschahs als Perle des Jahrtausende alten kulturellen Erbes.

Über die ursprüngliche Funktion des Jungfrauenturms wird bis heute spekuliert. Vielleicht bauten ihn die Zoroastrier als Feuertempel oder er diente als Sternwarte oder Festung. Vielleicht aber auch einfach als Aussichtsturm.  

Der Baku Boulevard, Uferpromenade am Kaspischen Meer mit schöner Parkanlage, verläuft in weitem Bogen entlang des gesamten Stadtzentrums.

Teppichmuseum: Das „Meisterwerk des immateriellen Kulturerbes“ wurde 2010 unter den Schutz der Unesco gestellt. Es beherbergt eine der größten Teppichsammlungen der Welt und repräsentiert damit die Geschichte und Tradition Aserbaidschans.

Tipp: Auf dem Yanar Dag, dem „brennenden Berg“, einem Hügel wenige Kilometer nördlich von Baku, lodert seit dem Altertum ein immer währendes Erdgastfeuer.  

Einreisevisum: Ein e-Visum wird innerhalb von drei Arbeitstagen ausgestellt und kostet für einen 30-tägigen Aufenthalt 20 USD (21.60 €)evisa.gov.az

Währung: In Aserbaidschan wird in Manat bezahlt – 1 Euro entspricht 1,84 Aserbaidschan Manat (AZN).

Auskünfte: Azerbaijan Tourism Board in Baku

www.salambaku.travel 

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Hinweis: Dieser Beitrag wird regelmäßig von Mitgliedern der Reise-Stories Redaktion wie Heiner Sieger, Gerhard Fuhrmann und Jupp Suttner auf Richtigkeit und Vollständigkeit geprüft. Falls Sie Anmerkungen zu diesem Beitrag haben, kontaktieren Sie bitte direkt hier die Redaktion.

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