Im Jahr 2025 wird die sächsische Industriestadt Chemnitz gemeinsam mit 38 Kommunen aus Mittelsachsen, dem Erzgebirge und dem Zwickauer Land Kulturhauptstadt Europas sein. Eine dieser Kommunen ist Limbach-Oberfrohna. Und wer jetzt sagt: „Nie gehört“, ist vermutlich nicht allein, sollte aber trotzdem einmal hinfahren. Zu sehen gibt es einiges, vielleicht trifft man sogar den Oberbürgermeister dieser Großen Kreisstadt des Landkreises Zwickau, Gerd Härtig. Jedenfalls trifft man Leute, denen es in Limbach-Oberfrohna gefällt. Und dass es irgendwem irgendwo überhaupt gefällt, ist heute schon etwas Besonderes.
Wie gehts Dir, L-O? Gut!
Und die Bürgerbefragung fand statt, bevor „L.-O.“ Teil von „Chemnitz 25“ wurde. Im August hatte die Stadtverwaltung unter dem Motto „Wie geht’s dir, Limbach-Oberfrohna?“ zu einer Bürgerumfrage aufgerufen. Das mit der Auswertung beauftragte Leipziger Unternehmen SOFUB Sozialwissenschaftliche Forschung und Beratung in Zusammenarbeit mit der TU Chemnitz und dem Deutschen Jugendinstitut, so Oberbürgermeister Gerd Härtig, sei zu dem Ergebnis gekommen, dass 75 Prozent der Befragten gern oder sehr gern in Limbach-Oberfrohna leben. „Wenn man die, die sich neutral geäußert haben noch dazu nimmt, sind wir hier sogar bei 90 Prozent. 60 Prozent fühlen sich zudem stark oder sehr stark mit ihrer Stadt verbunden – mit den Unentschlossenen kommt man auch hier auf 90 Prozent. Rund 70 Prozent der Befragten schauen zudem zuversichtlich in die Zukunft.“
Ein Spaziergang auf dem Stadtlehrpfad
Wenn man nun den Ort erreicht hat, nach einer Fahrt bis zum Autobahnkreuz der A 72 / A 4, von dort die A4 bis zu Ausfahrt Limbach-Oberfrohna, oder mit dem Regiobus 657 aus Burgstädt, den man über Leipzig Hbf. erreicht; man kann sich auch merken, dass man den Westen von Chemnitz ansteuern muss, woher auch immer. Dann, am Ziel, empfiehlt sich ein Spaziergang über den Stadtlehrpfad, um die Sehenswürdigkeiten zu sehen und in die Geschichte einzutauchen.
Dann trifft man auf das „Rittergut“, das Rathaus, dessen Geschichte bis ins 12. JH. zurückreicht. Die „Fronfeste“ wurde 1570 mit dem Herrenhaus des Georg I. von Schönberg erbaut. Damals hatte ein Bauer kaum Steuern an die Herrschaft zu zahlen, dafür war er sogenannten Frondiensten belastet. Kam er seinen Verpflichtungen nicht nach, musste er in der Fronfeste einsitzen. Bei leichteren Vergehen, wie Streitereien, kam man an den Pranger, der an der Rittergutsmauer neben der Fronfeste war.
An Wasserturm vorbei, einem Wahrzeichen der Stadt, der heute noch als Speicher dient, zum Schloss Wolkenburg, erbaut Ende des 12. Jahrhundert, eines der schönsten des Muldentals, und umgeben von einem Park aus der Renaissance.
Das Bauernmuseum in Dürrengerbisdorf wurde 1996 restauriert und hält eine Sammlung landwirtschaftlicher Geräte von anno dazumal bereit. Wer dem harten Los des Bauern entfliehen wollte, dem bot sich eine Tätigkeit im Wolkenburger Bergbaurevier an. 650 Jahre lang wurde hier Silber, Kupfer, Blei und Gold abgebaut. Im ehemaligen Bergamtshaus sind zahlreiche Exponate zur Mineralogie, Geologie und Geschichte des Wolkenburger Bergbaureviers zu sehen.
Ins Esche-Museum zu den feinen Strümpfen
Schließlich führt der Weg ins Esche-Museum, das auch im Jahr der Kulturhauptstadt eine Rolle spielen wird. Das Museum in der alten Esche-Fabrik präsentiert einen Exkurs durch Geschichte und Entwicklung der hier entstehenden Industrie. Zahlreiche Maschine produzierten feinste Strümpfe, elegante Handschuhe, kunstseidene Unterwäsche, und Produkte der Nähwirktechnik „Malimo“.
Im ESCHE Lab ist eine Textilwerkstatt mit dem Schwerpunkt Strickerei und Konfektion entstanden. Das Museum wurde erweitert und Raum geschaffen für Kreatives – Design und Kunst – Forschung und Experimente im Bereich Textil. Die Kompetenzen, die heute schon durch die Bewahrung des textilen Erbes im Esche-Museum vorhanden sind, werden durch Netzwerke vor Ort gebündelt und ermöglichen Perspektiven für den traditionellen Textil-Standort.
Der Name verweist auf die Geschichte des Gebäudes, die Strumpffabrik Reinhold Esche. Darüber hinaus wird eine Dynastie von Unternehmern geehrt, deren Angehörige wesentlichen Einfluss auf das Aufblühen der Gemeinde hatten, angefangen mit Johann Esche um 1700. Der Strumpf findet sich im Logo des Museums und ziert heute die Fassade des Museums. Nach diesem Rundgang sind wir dem Motto von Chemnitz 25 gerecht geworden: „C the Unseen“, sehe das Ungesehene.
Treffen mit Gerd Härtig, dem OB
Im Esche-Museum treffen wir den Oberbürgermeister von Limbach-Oberfrohna, Gerd Härtig. „Chemnitz wird Kulturhauptstadt Europas 2025. Welche Bedeutung hat das für Sie als OB und für Ihre Gemeinde?“
Härtig: Limbach-Oberfrohna war von Beginn an der Seite von Chemnitz und fester Bestandteil im Bewerbungsprozess. Der Titel „Kulturhauptstadt Europas 2025“ wird nicht nur der Stadt Chemnitz, sondern der gesamten Region guttun. Neben dem Imagegewinn erwarten wir natürlich viele Gäste aus dem In- und Ausland. Und ganz nebenbei: Man redet wieder viel miteinander über dieses Projekt.
reise-stories: In Chemnitz versuchte eine Fraktion des Stadtparlaments das Projekt zu stoppen, zum Glück vergebens. Wie sah es in Limbach-Oberfrohna aus?
Härtig: Der Beschluss des Stadtrates, sich an diesem Projekt zu beteiligen, fiel im November 2018 einstimmig aus.
reise-stories: Wenn der Eindruck nicht täuscht, wird das Projekt Kulturhauptstadt von den Bürgern der Region getragen. Wer engagiert sich bei Ihnen?
Härtig: Eine breite Basis aus vielen Teilen der Zivilgesellschaft beschäftigt sich mit dem Projekt und initiiert eigene Ideen und Kleinprojekte. Künstler, Kulturschaffende, Fördervereine – ja selbst unser Handballverein beteiligte sich bereits mit dem Mikroprojekt „Fan-Kultur“. Nicht zuletzt sind es
Verwaltung, Museum und unsere städtische Gesellschaft, die die Stadthalle und den Kulturkeller betreibt, die mit unterschiedlichsten Veranstaltungsformaten aufwarten wird.
reise-stories: Kultur ist das eine, ein wirtschaftlicher Aufbruch müsste dazukommen. Wie ist die Stimmung in der Stadt?
Härtig: Die Energiekrise hat auch der Wirtschaft und dem Gewerbe in Limbach-Oberfrohna massiv geschadet. Die Gewinneinbrüche führten zu Mindereinnahmen in der Gewerbesteuer – eine Haushaltssperre war die Folge. Ungeachtet dessen ist die Stimmung vergleichsweise gut, was unsere Bürgerbefragung aus dem August dieses Jahres eindrucksvoll bestätigt hat.
reise-stories: Im Esche-Museum will man an alte Techniken der Strumpf-Fabrikation anknüpfen. Das dürfte nicht genügen. Welche innovativen Ideen hat die Stadt?
Härtig: Höchste Priorität hat selbstverständlich die Erfüllung unserer Pflichtaufgaben, welche mit erheblichen Investitionen in Kitas, Schulen, Straßen, Brücken etc. verbunden sind. Aus meiner beruflichen Vergangenheit her rühren meine Initiativen in Richtung Digitalisierung. Wir sind seit diesem Jahr auf der Meta-Plattform aktiv und werden noch in diesem Jahr Bürgerterminals einrichten, die 24/7 verfügbar sein werden. Dort können die Bürgerinnen und Bürger der Stadt viele Dienstleistungen online in Anspruch nehmen. Freies WLAN und digitale Anzeigetafeln im ÖPNV sind weitere Beispiele auf dem Weg zu einer hochmodernen Stadt.
reise-stories: Sachsen verzeichnet gegen den Bundestrend positive wirtschaftliche Wachstumszahlen. Wie sieht das in Limbach-Oberfrohna aus?
Härtig: Kurz: Wir sind zufrieden und werden dennoch weiter Gas geben. Derzeit sind alle verfügbaren Flächen in unseren Gewerbegebieten belegt und aktiv. Die Planungen zur Erschließung zwei weiterer Gewerbegebiete sind angestoßen worden.
reise-stories: Was sind Ihre Stärken?
Härtig: Die Lage unserer Stadt mit ihren 5 Anschlussstellen an den Autobahnen A4 und A72 macht uns natürlich besonders attraktiv für alle, die mit eigenen PKW mobil sind. Als Mittelzentrum, direkt gelegen am Oberzentrum Chemnitz, haben wir zwar keine Besonderheiten, halten jedoch die komplette Infrastruktur, die Mann oder Frau zum Leben benötigt, hier vor Ort vor. Und das in einer sehr ansprechenden Qualität.
reise-stories: Wenn in Zwickau VW dicht macht, ist das zu kompensieren? Was könnte, was müsste geschehen?
Härtig: Das Werk von Volkswagen in Zwickau ist nicht gefährdet! Dennoch muss sich die gesamte Branche der Automobilindustrie einem Transformationsprozess unterziehen. Dass das gelingen kann, zeigen z.B. zwei Zulieferfirmen aus unserer Stadt. Hier sehe ich jedoch weniger die Politik, sondern die Unternehmer in der Verantwortung.
reise-stories: Haben Sie auf kommunaler Ebene Handlungsoptionen?
Härtig: Die kommunale Selbstverwaltung ist Bestandteil der Verfassung – insofern haben wir natürlich schon Handlungsspielräume. Die Frage zielt jedoch wahrscheinlich eher auf die Gesetzgeber in Brüssel, Berlin und Dresden. Die permanente Erhöhung der Standards und die nicht damit einhergehende Finanzierung lässt die Spielräume der Kommunen tatsächlich deutlich schwinden.
Hoffnung auf kommunaler Ebene
Beim Verlassen des Esche-Museums kreisen die Gedanken um das Gesehene und Gehörte. Die Menschen in Limbach-Oberfrohna fühlen sich wohl, obwohl die Zeiten sich denen der Fronfeste zu nähern drohen. Vielleicht sind es wirklich Leute wie Gerd Härtig, die auf kommunaler Ebene den Leuten Hoffnung und die damit den Unterschied machen. Zu besichtigen in Limbach-Oberfrohna
BUs: Im Esche-Museum, bei den feinen Strümpfen;
Der Oberbürgermeister der Großen Kreisstadt Limbach-Oberfrohna, Gerd Härtig.