Wie Fliegen, nur auf Schienen: So fühlt sich das Reisen mit der Japan Rail an. Die Züge sind bequem, schnell und immer pünktlich.
Nächster Halt: Tokio. Als wir uns im Shinkansen der größten Metropolregion der Welt nähern, liegt bereits eine Zugstrecke von rund 1200 Kilometern hinter uns. Beginnend in Sapporo haben wir fast halb Japan mit unserem Rail Pass durchquert. Am Ende unserer vierwöchigen Reise mit der Japanischen Eisenbahn werden wir rund 4000 Kilometer zurückgelegt haben. Die Züge waren nie überfüllt, das Personal stets freundlich, und unser Ziel haben wir immer pünktlich auf die Minute erreicht – es geht also, mit der Bahn schnell, zuverlässig und stressfrei unterwegs zu sein.
In Sapporo Station starten wir am Schalter der Japan Rail, um unsere JR-Pässe zu aktivieren. Der Pass ist ein Angebot speziell für ausländische Besucherinnen und Besucher, um bequem und günstig mit den JR-Bahnen und lokalen -Bussen durch das Land zu reisen. Es gibt den Pass für sieben, 14 und 21 Tage. Einmal aktiviert, ist er nur an aufeinanderfolgenden Tagen gültig. Dass die Gültigkeit weiterläuft, wenn man den Pass einige Tage nicht nutzt, sollte man bei der Reiseplanung auf jeden Fall beachten.
Voucher für den Japan Rail Pass; Screenshot
Rail Pass online bestellen
Verschiedene autorisierte Anbieter verkaufen den Pass im Internet – beispielsweise Japan Rail (www.jrpass.com), Klook (www.klook.com) oder Japan Experience (www.japan-experience.com/) – mit Lieferung frei Haus vor Reiseantritt. Der Preis kann immer mal leicht variieren, da er vom Wechselkurs abhängig ist. Aktuell kostet die 7-tägige Variante rund 323 Euro (50 000 Yen) und die 14-tägige 509 Euro (80 000 Yen). Unter https://japanrailpass.net/de/exchange/ gibt es eine Liste mit allen Bahnhöfen in Japan, an denen man seinen Pass aktivieren kann. Und hier geht es zum Streckenplan der JR-Züge: https://www.jrailpass.com/de/streckenkarten. Ausführliche Informationen zu den Regionen finden man unter: www.japan.travel/de/de/, der Seite der Japanischen Fremdenverkehrszentrale in Frankfurt.
Von Hokkaido nach Kyushu
Ob sich ein Rail-Pass wirklich lohnt, hängt von der individuellen Reiseroute ab. Wer sich überwiegend in der Metropolregion Tokio bewegt, einen Abstecher zum Mount Fuji plant und die Städte Kyoto und Osaka besucht, für den ist die Buchung einzelner Fahrten wahrscheinlich günstiger. Da wir Japan aber einmal von Hokkaido im Norden nach Kyushu im Süden durchqueren wollen und Osaka in der Mitte des Landes unsere Endstation sein wird, haben wir uns für die 21-Tage-Variante für 647 Euro (100 000 Yen) entschieden.
Wie auf einer Perlenschnur haben wir entlang der Strecken unsere persönlichen Sightseeing-Spots aufreiht. Unsere Verbindungen suchen wir über die englischsprachige App Japan Travel by Navitime (japantravel.navitime.com/en/). Nutzen dürfen wir fast alle JR-Züge inklusive der Flughafenlinien in Tokio und Osaka. Ausgeschlossen sind nur die superschnellen Nozomi- und Mizuho-Shinkansen sowie einige regionale Privatbahnen; für letztere gibt es oft eigene Touristen-Pässe.
Mit der Regionalbahn geht es in die Berge. Fotos: Hans-Georg Nagel
Im Bummeltempo nach Hakodate
Mit der Hakodate-Line starten wir von Sapporo nach Hakodate. Für die rund 260 Kilometer brauchen wir 3 Stunden und 47 Minuten – für japanische Verhältnisse ein Bummeltempo. Das liegt daran, dass Hokkaido bisher noch nicht an das High-Speed-Netz mit Geschwindigkeiten von über 300 Stundenkilometern angeschlossen ist. Für das Auto gibt Google Maps eine Reisezeit von bis zu 5 Stunden 50 Minuten an. Verantwortlich für die lange Fahrzeit sind – das gilt für das ganze Land – die Tempolimits auf allen Straßen und der meist dichte Verkehr in den Ballungszentren.
Zuvorkommende Zugbegleitungen
An Bord begrüßt uns ein superfreundlicher Zugbegleiter. Er klärt uns auf, dass wir auf reservierten Plätzen sitzen. Kein Problem, der Mann reserviert für uns Plätze im nächsten Wagen, begleitet uns dorthin, verneigt sich vor uns und wünscht uns zum Abschied eine gute Reise. Für unsere weiteren Zugfahrten ist uns dies eine Lehre: Künftig steigen wir gleich in die Wagons ein, für die man keine Sitzplatzreservierung braucht. Welche Wagons das sind, verraten uns jeweils die Anzeigetafeln und die Beschriftungen auf dem Bahnsteigboden, sodass wir am Bahnsteig künftig immer an der richtigen Sperre sehen.
Entspannen im Roof-Top-Onsen
Pünktlich erreichen wir Hakodate. Da wir am nächsten Morgen zeitig Richtung Süden aufbrechen wollen, checken wir im JR-Inn Hakodate (www.jr-inn.jp/hakodate/) direkt am Bahnhof ein. Dort genießen wir die Aussicht über die Bucht vom Roof-Top-Thermalbad in der 12. Etage. Das üppige Frühstück mit Fischbuffet und Running Sushi um 6:30 Uhr stellt uns aber nicht nur vor eine zeitliche Herausforderung.
Vom Roof-Top-Onsen im JR Hotel in Hakodate haben wir eine fantastische Aussicht über die Stadt. Foto: Constanze Mauermayer
24 Kilometer Tunnel unter dem Meer
Die Insel Hokkaido ist mit der Hauptinsel Honshu durch einen 54 Kilometer langen Tunnel verbunden. Die Seikan-Röhre wurde 1988 nach über 20jähriger Bauzeit für den Verkehr freigegeben. 24 Tunnel-Kilometer liegen 100 Meter unter dem Meeresgrund und insgesamt 240 Meter unter dem Meeresspiegel – ein Meisterwerk japanischer Ingenieurskunst. Gefährdet ist es nur durch die enormen Kräfte, die durch Erdbeben und den hohen Wasserdruck auf den Tunnel einwirken. Deshalb wird die Röhre rund um die Uhr mit Sensoren überwacht. Trotzdem sickern täglich rund 35.000 Kubikmeter Wasser ein, die aber durchgehend abgepumpt werden.
3 Stunden und 5 Minuten für 720 Kilometer
Wir rauschen so unfassbar schnell durch die Röhre, dass wir schon nach einer kurzen Fahrzeit in Aomori auf der Hauptinsel Honshu in den Bahnhof einlaufen. Wer direkt nach Tokio möchte, steigt hier in den Tohoku-Shinkansen um, der 3 Stunden und 5 Minuten für die 720 Kilometer in die Hauptstadt braucht (mit dem Auto sind es fast neun Stunden Fahrzeit). Wir entscheiden uns aber für einen Abstecher nach Tsuruoka in der Präfektur Yamagata, Ausgangspunkt für eine Exkursion zum Pilgerort Haguro-San.
Rote Toris säumen den Weg, der mit 2446 Stufen in dichtem Nebel zum Tempel auf dem Haguro-San führt. Fotos: Hans-Georg Nagel
Die fünfstöckige Holzpagode stammt aus dem 16 Jahrhundert; den Eingang zum Pilgerort markiert ein rotes Tor. Fotos: Hans-Georg Nagel
Buddhistischer Pilgerort
Die Tempelanlage auf dem heiligen Berg Haguro-San im Ort Haguromachi, den wir auf dem letzten Stück per Bus erreichen, wird ein Highlight unserer Reise. Der Berg gilt als einer der heiligsten Orte Japans. 2446 Stufen führen durch einen majestätischen Zedernwald auf den Gipfel. Die Steintreppe säumen Toriis, Schreine und eine fünfstöckige Holzpagode, die vor 600 Jahren erbaut wurde. Der Haguro-San-Tempel ist ein wichtiges buddhistisches Pilgerziel (www.dewasanzan.jp/) und allein schon wegen seines Daches eine Besonderheit: Zwei Meter dick aufgeschichtetes Reet behütet das Heiligtum – ein Weltrekord.
Traditionelles Abendessen im Ryokan Tamonkan mit gepickeltem Gemüse und Tempura; Foto: Constanze Mauermayer
Übernachtung im traditionellen Ryokan
Die Übernachtung im traditionellen Gasthaus Yamonkan (www.booking.com/tamonkan), einem Ryokan, rundet das Erlebnis ab. In einem Tatamizimmer warten Futons und traditionelle Hauskleidung, sogenannte Yakutas, auf uns. Die Gastgeber kredenzen uns ein Abendessen und Frühstück mit gepickeltem Gemüse, eingelegter Daikon-Rettich, Misosuppe, Reis und Fisch und allerlei weiteren Köstlichkeiten. Nach dem Bad im kleinen Onsen des Gasthauses sind wir rundum glücklich, dieses Juwel an Unterkunft entdeckt zu haben.
Onigiri-Reiskuchen, Hackfleischbällchen und gepickeltes Gemüse liebevoll in der Bento-Box arrangiert; Foto: Constanze Mauermayer
Eine Bento-Box im Shinkansen
Für die Reise nach Tokio am übernächsten Tag versorgt uns unsere Gastgeberin mit einer liebevoll zubereiteten Bento-Box, die wir im Zug verspeisen. Für japanische Reisende gehört ist es ein Ritual, sich als Proviant mit einer Bonto-Box auszustatten. An allen größeren Bahnhöfen kann man deshalb diese mit allerlei Leckereien gefüllten Lunchboxen kaufen. Auch Tokio erreichen wir pünktlich. Von dort führt uns unsere Reise weiter nach Nagano, Matsumoto und weiter auf die Insel Kyushu mit längeren Stopps in Nagasaki und im Aso-Nationalpark. Dann geht es zurück über die Burgstadt Himeji nach Osaka.
Candeo Hotel mit Frühstück und Onsen
Wir übernachten jeweils in gut bewerteten Mittelklasse-Hotels. Bei der Auswahl achten wir darauf, dass die Unterkunft ein japanisches Frühstücksbuffet anbietet und über ein Onsen verfügt. Besonders zu empfehlen sind das Candeo Shinshi Chinatown Hotel in zentraler Lage in Nagasaki (www.booking.com/candeo-nagasaki) sowie das Hotel Monterey Himeji, das direkt am Hauptbahnhof und nur ein paar Schritte von der Burg entfernt ist (www.booking.com/monterey-himeji).
Blick vom Candeo Shinshi Hotel auf die Chinatown von Nagasaki; Foto: Hans-Georg Nagel
Auch bieten alle Hotels einen Gepäcklieferdienst an: Die Koffer werden dabei an die jeweils nächste Station vorausgeschickt, während man unbeschwert noch einen Zwischenstopp einlegt (Kosten rund 2000 Yen pro kleinem Koffer). Sogar zum nächstgelegenen Konbini kann man sich sein Gepäck senden lassen, wenn man beispielsweise in einem Airbnb übernachtet.
Für unsere Koffer erhalten wir Schilder mit Ausgangspunkt und Zielort in Nagano. Selbstverständlich kommt auch das Gepäck pünktlich an. Foto: Constanze Mauermayer
Shinkansen bedeutet neue Hauptstrecke
Insgesamt haben wir mehr als 4000 Streckenkilometer zurückgelegt. Nie erreichen wir unser Ziel verspätet. Denn die Pünktlichkeit japanischer Züge ist weltweit einmalig. Und das hat seine Gründe: Die Shinkansen-Linien nutzen ein eigenes Gleisbett, es ist eingezäunt, es gibt kaum Weichen, dafür im umso mehr Tunnel und Brücken. Außerdem haben die Superzüge teils eigene Bahnhöfe, die am Zusatz „Shin“ – das Wort für „neu“ – erkennbar sind: also Shin-Sapporo, Shin-Aomori oder Shin-Osaka. Und Shin-kan-sen bedeutet ganz einfach neue Haupt-strecke oder -linie.
60 Jahre Superzug
All das sorgt dafür, dass die durchschnittliche Verspätung aller Züge maximal 20 Sekunden beträgt. Kommt ein Zug eine Minute zu spät, entschuldigt sich der Zugführer bei seinen Fahrgästen. Anfang Oktober feierte Japan den 60. Geburtstag seines Superzuges. Zu den olympischen Spielen in Tokio 1964, die damals im Herbst stattfanden, wurde die erste Strecke zwischen Tokio und Osaka eingeweiht. Heute reisen auf der 512 Kilometer langen Trasse täglich 400.000 Menschen in der Rekordzeit von nur 2 ½ Stunden. Shinkansen-Fahren fühlt sich eben an wie Fliegen auf Schienen – nur viel bequemer.
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Titelbild: Hans-Georg Nagel