Petra Reski im Münchner Literaturhaus
Am Anfang war das Wort. Und wenn es auch am Ende sein sollte, dürfte es etwa lauten: „Wir haben es verkackt“ oder vornehmer: „Es tut uns leid.“ Am Anfang war das Wort, will man dem Apostel Johannes glauben, bei Gott zu Hause und wurde dort weitergegeben, gepredigt, wie man landläufig sagte. Gottes Haus waren und sind die Kirchen. Aber glaubt man den Nachrichten, werden diese langsam eine nach der anderen und dann immer schneller zugesperrt. Laut Süddeutscher Zeitung vom 11. September 2024 werden „bis zu 10 000 Gotteshäuser in den nächsten 10 Jahren in Deutschland ohne Gläubige“ da- und leerstehen und als „Spekulationsobjekte“ dienen. Lassen wir die Fragen, was Gott dazu sagt, dass man ihn aus dem eigenen Haus hinauswirft, unbeantwortet. Denn wie anders soll man die Profanierung von Kirchenbauten bezeichnen als ein Hinauswerfen? Und halten wir fest, dass Juden sogar ihre Friedhöfe nie profanieren (einebnen) würden. Fragen wir lieber, was mit den ehemaligen Kirchen nun geschehen soll, wenn man sich an den Türken kein Beispiel nehmen will, die im von ihnen besetzten Nordteil Zyperns diese zu Ställen umgenutzt haben. Also welche Heimstatt für das Wort?
Die sofortige Antwort lautet: Da Literatur die schönste Form der Wortgestaltung ist, das Literaturhaus! Ein Literaturhaus, ob auf dem Dorf oder in der Stadt, ob in Niederkaltenkirchen oder in München, dürfte mit Sicherheit gottgefälliger sein als ein Schafstall sowieso aber auch als ein Büro- oder Wohnhaus. Oder um den Philosophen Friedrich Schorlemmer zu bemühen: Statt dessen Forderung „Schwerter zu Pflugscharen“ eben Kirchen zu Literaturhäuser. Und, um Goethes Faust in die Argumentation einzubeziehen, das wäre auch Sinn-voller.
Und so sind wir ohne weiteres beim Besuch im Münchner Literaturhaus und bei Petra Reski, deren Lesung und Interview zu ihrem neuen Buch „All `Italiana, wie ich versuchte, Italienerin zu werden“ am 12. September der Anlass waren, für das bestehende Literaturhaus und alle zur neuen Verwendung anstehenden leergefallenen Kirchen keine Lanze sondern ein Wort zu „brechen“. Petra Reski ist eine inzwischen deutsche und italienische Journalistin und Schriftstellerin, die sich mit Publikationen über die Mafia nicht nur Feinde, sondern auch einen Namen gemacht hat. Im Literaturhaus stellte sie sich als brilliante und dabei nahezu naive Meisterin der Recherche und Erzählerin vor. Klare und glaubhafte Sprache sind ihr Markenzeichen. Sie lebt mit ihrem Mann vorwiegend in Venedig und hat sich dort als Kämpferin gegen den Ausverkauf der Stadt an den markthörigen Tourismus Respekt erworben.
So hat sie sich einen Platz in den Erinnerungen des Literaturhauses München mehr als verdient. Denn dieses ist ihre Heimstatt und die vieler anderer, die vor ihr und nach ihr dort ihre Lesung hatten und noch haben werden, wie etwa Ofer Waldman und Saha Marianna Salzmann am 7. Oktober.
Seit 1993 ist das Literaturhaus die Heimstatt des geschriebenen und gelesenen Wortes. Damals beschloss der Münchner Stadtrat ein sanierungsbedürftiges Gebäude einer Nutzung als Literaturhaus zuzuführen. Bereits zwei Jahre später, im Juni 1997, öffnet das Literaturhaus München seine Pforten und ist fortan als Kultureinrichtung nicht mehr aus München wegzudenken. Rund 220 Veranstaltungen pro Jahr finden statt, von der klassischen Wasserglas-Lesung des Starautors bis zum fast schon legendären Debütanten-Mix mit Musik, Drinks und literarischen Entdeckungen. In der großen Galerie im Erdgeschoss werden jährlich vier wechselnde Literaturausstellungen durchgeführt. Hier lässt sich Literatur dreidimensional erfahren, aktuell Ingeborg Bachmann „ich bin es nicht. Ich bin`s.“ (Bis zum 24. November 2024). Die Herausforderung 1993 war „die Schönheit des Hauses zu bewahren und in harmonischem Zusammenspiel von Tradition und Moderne, alter Substanz und zeitgemäßer Funktion neu zu gestalten.“ Dieser Herausforderung müssen sich auch die Gotteshäuser stellen, deren Besucher vom Glauben abgefallen sind. Als Literaturhäuser können sie das Wort pflegen. Dazu braucht es vor allem, so wie Petra Reski ihre herausragende Eigenschaft beschrieben hat: „Renitenz.“