„La Isla Bonita”, die schöne Insel, wird La Palma genannt. Zu Recht, wie Kathrin Thoma-Bregar findet. Sie sagt: Wer schwarzer Asche mag, bei Salzkartoffeln mit Dipp jubelt und im Wandern sein Glück sucht, sollte schnellstmöglich die Koffer packen. Aber Vorsicht: es besteht ein Auswanderrisiko.
„Buenos días!“ Die Frau hinter ihrem Markthallenstand in Los Llanos strahlt mich an. Seit drei Tagen decke ich mich morgens bei ihr ein: mit geräuchertem Schafskäse, Serrano-Schinken, kleinen Tomaten, Avocado, Inselbananen und Wasser. Jede Menge Wasser. Heute brauche ich ganz besonders viel, denn es steht ein Wanderhighlight von La Palma auf dem Programm: die Ruta de Los Volcanos, die Vulkanroute. „Noch eine Flasche“, deute ich vorsichtshalber, sicher ist sicher. Ein paar Stunden später soll ich das zusätzliche Gewicht in meinem Rucksack nicht bereuen. Es wird heiß.
Schuhe voll Asche
Wir, eine kleine Reisegruppe von sechs Personen, starten unsere Tagestour am Morgen am Refugio El Pilar, einem großen Picknick-, Grill- und Spielplatz auf dem Kamm der Cumbre Vieja, mitten im Wald. Ein Taxi hat uns hinaufgefahren. An den Wochenenden soll hier die Hölle los sein, dann fällt die halbe Insel ein. Wir hätten den Platz an diesem Freitagvormittag für uns allein gehabt. Aber faulenzen ist nicht unser Plan. Wir haben ein Ziel: Los Canarios, ganz im Süden von La Palma. 18 Kilometer sind es bis dahin. 700 Höhenmeter bergauf, 1.250 bergab.
Je weiter wir an diesem sommerlichen Tag an Höhe gewinnen, desto grandioser wird die Fernsicht. Der so gut duftende Kiefernwald wird zunehmend licht, irgendwann laufen wir durch exotisch schöne Mondlandschaft. Hellgrüne kleine Kiefern auf dunklem Lavaschutt sehen aus wie grelle Farbklekse in einem Gemälde. Es geht über Kraterhänge und Vulkankegel. Mit meinen Reisegefährten marschiere ich über schwarzes, aufgeheiztes Sandgestein. Schatten: Fehlanzeige. Warmer Wind bringt dürftige Abkühlung. Nur draußen über dem Atlantik hängen die Wolken tief.
Unsere Füße sinken tief ein in die Steinasche. Alle Nase lang muss ich meine Schuhe ausleeren. Mit der Höhe steigen auch die Temperaturen, die Sonne scheint gnadenlos auf uns herab. Und ich habe einen Ohrwurm. „Du bist so heiß wie ein Vulkan (…) und heut verbrenn` ich mich daran“. Seit Stunden summe ich den Song von Tony Holiday vor mich hin. Gut, dass ich ein Fleecepulli dabei habe, murmele ich schwitzend. „Sei froh, dass du ihn nicht brauchst“, sagt Alexander Sputh. „Wenn hier oben Wolken und Nebel hängen und der Wind pfeift, wird es empfindlich kalt“. Der 61-jährige Deutsche ist vor 25 Jahren auf die Insel ausgewandert und verdient sein Geld als Guide beim DAV Summit Club. In gleichmäßigem Tempo geht er vor mir her. Das T-Shirt hat er längst ausgezogen und als Turban über den Kopf gewickelt.
Nächstes Eiland: Kuba
Ab 1.800 Meter sind wir schließlich so hoch, dass wir frei nach Norden sehen, auf die zwei Gipfel Birigoyo und Bejenado und auf die bewaldete Caldera, dem Bilderbuch-Nationalpark La Palmas. Wir passieren einen Vulkan und einen Kraterrand nach dem anderen – auch den erst 1949 entstandenen Hoyo Negro – und stehen schließlich auf dem Westgipfel der Deseadas, dem höchsten Punkt der Wanderung (1.938 Meter). Der Sturm pfeift hier oben so stark, dass ich ins Schwanken gerate. Jetzt weiß ich, was Alex mit dem Fleecepulli meinte. Nichts wie runter hier, denke ich. Ab jetzt geht’s sowieso nur noch bergab, gen Küste. Das Traben durch den lockeren Sand ist mehr Genuss, denn Anstrengung.
Rund sechs Stunden brauchen wir am Ende für die Vulkantour. Der Weg ist bestens ausgeschildert. Einkehrmöglichkeiten gibt es auf der Strecke nicht, aber wir hatten ja genug Proviant und Getränke dabei. Trotzdem: das kühle Bier in der Straßenbar von Fuencaliente ist die reinste Freude. Genauso wie das anschließende Bad im Meer. Im Gegensatz zu seinen vulkanischen Nachbarn Teneriffa oder Gran Canaria hat La Palma nur wenige Sandstrände. Der Massentourismus hat deswegen nie Fuß gefasst. Die Brandung an dem schwarzen Kiesstrand im Inselwesten, unweit von Los Llanos, ist so stark, dass es einen beim Rein- und Rausgehen fast die Beine wegzieht. Umso schöner, wenn man sich weiter draußen im 22 Grad warmen Wasser treiben lässt. Würde ich einfach weiter gen Westen schwimmen, denke ich, die nächste Insel wäre wohl Kuba.
Musik und Mojo
Beim Abendessen offenbart Wanderführer Alexander sein wahres Talent. Er ist nicht nur verwegener Aussteiger, leidenschaftlicher Botaniker, Naturfreund und Inselkenner, sondern vor allem: ein begnadeter Gitarrist. In Deutschland stand er schon mit Herbert Grönemeyer auf der Bühne. Seine aktuelle CD, aus der er uns vorspielt, heißt Ziriab La Magia del Momento. Dazu serviert der Wirt des Restaurants La Luna mitten in der Altstadt von Los Llanos, Stefan Braun, kanarische Köstlichkeiten, dass sich der Tisch biegt: Papas Arrugadas, runzelige Kartoffeln mit Meersalzkruste und dazu köstliche Dips, die sogenannte Mojo Verde oder Mojo Picante. Die grüne Variante besteht aus Petersilie, Koriander, Avocado, Essig, Öl und Kreuzkümmel. Die rote Mojo wird aus Paprikapüree gemacht und kann auch mal schärfer ausfallen. Mehr braucht es eigentlich nicht, um satt und glücklich zu sein. Aber wir müssen noch die Spezialität des Hauses probieren, eine Bananensuppe. Stefan hat sie selbst kreiert. Der gebürtige Dortmunder kam 2001 mit seinem Freund auf die Insel. Auswanderer gibt es auf La Palma zu Hauf. Die Ruhe der Insel hat sie nicht mehr losgelassen. Verständlich, denke ich, lausche den Gitarrenklängen und träume von einem Leben zwischen Vulkankratern und Meeresbrandung.
Die Insel
Kanaren. La Palma ist die nordwestlichste der sieben Kanarischen Inseln. Sie hat eine Fläche von 708 Quadratkilometern, ist 45 Kilometer lang und 27 Kilometer breit. Die Hauptstadt ist Santa Cruz de la Palma.
Wandern. Auf der Insel gibt es 1.000 Kilometer ausgebaute Wanderwege, davon zwei Weitwanderwege. Den „Spazierstockweg“, über die gesamte Gebirgskettevom Leuchturm El Faro in Los Canarios im Süden, bis zum Hafen von Tazacorte im Norden. Und den Küstenwanderweg, der die ganze Insel umrundet.
Literatur. Zum Beispiel Rother Wanderführer La Palma: Die schönsten Küsten- und Bergwanderungen – 66 Touren mit GPS, 14,90 Euro.
Reisezeit ist das ganze Jahr über. Allerdings kann es im Winter auf den hohen Bergen auch mal schneien. Die Wettersituation sollte man immer im Blick haben und nach starken Regenfällen die Schluchten meiden. An heißen Sommertagen empfehlen sich Wanderungen im schattigen Wald statt auf dem schwarzen Kraterrand der Vulkane – und ein früher Start, um nicht in der größten Mittagshitze unterwegs zu sein.
Pauschalangebote bietet der DAV Summit Club, elf Tage inklusive Flug, Übernachtung mit Halbpension und Reiseleitung.
www.summit-club.de
Mehr Infos
www.visitlapalma.es
Copyright Bilder: Kathrin Thoma-Bregar