Alpenüberquerungen können so gemütlich sein, wenn du den rechten Weg weißt und ein gutes E-Bike hast
Die Welt ist nicht mehr so wie sie war. Als gestandener Mountainbiker hast du neuerdings Begegnungen, die dich immer wieder aus der Fassung bringen. Wohlgenährte ältere Herren strampeln auf sportlichen Anstiegen an dir vorbei, als ob du stehen würdest, dabei fährst du am Limit und der andere hat ein entspanntes Lächeln im Gesicht. Zierliche Hausfrauen setzen kurz vor der Alm zum Überholen an und zeigen dir ihr schmales Hinterteil und ihre dünnen weißen Waden. E-Bikes erobern die Berge und sorgen für ein neues Wertesystem. Die Starken sind nicht mehr die Schnellen. Jetzt kann jeder alles machen.
Alpenüberquerungen verlieren ihren Schrecken und können auch von halbwegs untrainierten Radlern in Angriff genommen werden. Wir haben das ausprobiert. Eine Alpenüberquerung light. Von Toblach im Pustertal Richtung Adria. Etwas weniger Berge und etwas mehr Italien. Eine Genusstour soll es sein. Dafür spricht das Höhenprofil, wonach wir auf 1500 Metern starten und bei 0 Metern am Strand zwischen Abano und Venedig landen.
Toblach haben wir mit Bedacht ausgewählt, weil es erstens mit der Bahn gut erreichbar ist und die erste Etappe eine echte Genusspartie ist. An diesem Wochenende warten 250 km auf uns mit eben 1500 Höhenmetern Unterschied. Pro Kilometer wären das rechnerisch sechs Meter bergab. Aber zuerst radeln wir bergauf. Das Höhlensteintal zwischen Toblach und Cortina d`Ampezzo ist ein Klassiker. Die ersten Kilometer fahren wir sanft bergauf bis zum malerischen Toblacher See und bis nach 15 Kilometern Cima Banche erreicht ist, Unterwegs stoppen wir beim Blick auf die Drei Zinnen zur Linken. Weitere 15 Kilometer führt der schnurgerade Radweg bergab vorbei am Monte Cristallo, bis sich rechts die Tofana aufbaut und wir locker nach Cortina hinein rollen und am vornehmen Corso Italia einen ersten Cappuccino schlürfen. Es ist ein frischer Freitagvormittag und die Gruppe ist ziemlich entspannt. Die Akkus der E-Bikes und immer noch nah am Maximum. Nach der Kaffeepause radeln wir ungeduldig weiter, queren das Wohngebiet am Südrand des berühmten Wintersportorts und rollen durch das Cadoretal südwärts. San Vito di Cadore und Bora di Cadore sind nächste Stationen und der schmale und gut beschilderte Radweg bringt uns zügig weiter Richtung Süden. Nach Cortina ändert sich die Architektur der Dörfer deutlich. Die Häuser sind schlichter und weniger rustikal als bei den Nachbarn in Südtirol. In Pieve di Cadore landen wir in einer Bikerkneipe zu einem späten Mittagessen, wobei die Biker, die hier einkehren eher mit schweren Motorrädern unterwegs sind. Da gehörst du als Elektroradler nicht zur Kernzielgruppe. Aber egal. Wir fahren dann ein kurzes Stück zurück und radeln auf Nebenstraßen nun ohne Radweg direkt Richtung Süden bis Longarone. Die Berge werden flacher, das Licht wird breiter und heller und die Temperaturen steigen merklich. Wir haben am späten Nachmittag den idyllischen Lago di Santa Croce erreicht. Bis zu unserem Tagesziel in Conegliano werden die Radwege seltener. Wir fahren also auf Nebenstraßen weiter und erreichen das historische und sehenswerte Zentrum der Stadt am frühen Abend und sitzen irgendwann in einer typischen Pizzeria, die am Freitagabend bis auf den letzten Platz gefüllt ist.
Wir haben die Berge nun hinter uns und den italienischen Teil der Tour vor uns. Eine gute Stunde rollen die aufgeladenen E-Bikes auf Nebenstraßen südwärts vorbei an Gewerbegebieten und schmucklosen Wohnsiedlungen. So romantisch wie in den Dolomiten ist es hier nun nicht mehr. Aber unser Ziel ist das Meer und das sorgt für genügend Motivation. Wir fahren vorbei an Ponzano Veneto, wo Benetton zuhause ist. Brettleben ist die Gegend hier und wir radeln entlang am Flughafen von Treviso westwärts und schaffen ein langes und ziemlich gerades Stück auf einem neuen Radweg Richtung Ostiglia, biegen dann links ab und kurven auf schmalen Landstraßen weiter nach Süden und machen einen großen Bogen um Padua. Die letzten Kilometer bis Abano lassen wir gemütlich angehen und landen sicher in unserem Hotel, dessen großzügige Poolanlage unser abschließendes Ziel ist. Wir sind nun fast am Meer und nach Chioggia ist es nur noch eine gute Stunde am nächsten Vormittag. Die Räder landen dann im Bus von Südtirol Rad und die Gruppe sitzt nachmittags im Zug Richtung Südtirol. Alle sind zufrieden und entspannt. Alpenüberquerungen können ziemlich locker sein.
Fotos:
Georg Weindl & suedtirol-rad.com
Info:
www.suedtirol-rad.com