100 Jahre Bauhaus Dessau und kein bisschen altmodisch

Das große Jubiläum wird in Dessau unter dem Motto „An die Substanz“ gefeiert. Und im Gartenreich Dessau-Wörlitz findet man weitere Spuren der Bauhauskünstler.

„Ein Ding ist bestimmt durch sein Wesen. Um es so zu gestalten, dass es richtig funktioniert – ein Gefäß, ein Stuhl, ein Haus – muss sein Wesen zuerst erforscht werden; denn es soll seinem Zweck vollendet dienen, das heißt, seine Funktion praktisch erfüllen, haltbar, billig und schön sein.“ Dieses Postulat von Walter Gropius, 1925 geäußert, erklärt noch heute kurz und knapp das Wesen des Bauhauses und des Funktionalismus der Moderne.

Das Bauhausgebäude hat auch im Inneren strahlende Farbkraft und klare Linien.

Dreieck, Quadrat, Kreis:Ohne Design ist heute fast alles nichts. Ob Möbelkatalog, Reiseprospekt oder Turnschuh, pardon, Sneaker selbstverständlich, man kann sich nicht dem Eindruck entziehen, selbst die banalsten Gegenstände des Alltags brauchen Design und trendige Namen. Die fast schon inflationäre Verbreitung des Begriffs macht auch vor dem Tourismus nicht halt, warum auch. Man reist auf exklusiv „designten“ Routen, genießt kreative Menüfolgen im speziellen Restaurant-Ambiente und bettet sein müdes Haupt natürlich im Design-Bett samt Feininger-Druck auf dem Kopfkissen. Ein Leben ohne Design: Unvorstellbar. Doch woher kommt diese an sich brillante Idee, eine harmonische, ästhetische Einheit von Handwerk und Industrie, Kunst und Technik, Theorie und Praxis zu schaffen? „Bauhaus“ heißt das Zauberwort und in der Mitte Deutschlands, in Thüringen und Sachsen-Anhalt liegen seine Wurzeln. In Weimar gründete Walter Gropius 1919 eine Schule, die weltweit zum Begriff für eine Revolution in der Kunst geworden ist. Kunst nicht als Selbstzweck, Technik nicht reduziert auf Funktionalität, sondern beides miteinander vereint, das war das Grundprinzip der Bauhaus-Künstler.

Das Meisterhaus Gropius ist eine Ikone der Moderne.

Bauhaus in Dessau

Wie Modernität ohne Design nichts ist, so ist eine Reise zum Thema Bauhaus ohne Dessau unvorstellbar. Walter Gropius entwarf 1925 nach dem Wegzug des Bauhauses aus Weimar in Dessau die neue Hochschule für Gestaltung und setzte hier bis 1932 seine Arbeit fort. Auch heute ist sie lebendiger Ort experimenteller Arbeit, Forschung und Lehre. Die Meisterhäuser Klee/Kandinsky, Muche/Schlemmer sowie das Feininger-Haus vereinen die damaligen Vorstellungen von Wohnen und Arbeiten ideal und sind ebenso beliebte Besichtigungsziele wie das ganz im Bauhaus-Stil gehaltene Restaurant Kornhaus direkt an der Elbe.

Das Kornhaus in Dessau liegt direkt an der Elbe, ein beliebtes Ausflugsziel und Restaurant.

Im Jahre 2019 wurde das imposante Bauhaus Museum Dessau im Stadtzentrum eröffnet. Es steht für die einmalige Möglichkeit, in die gesamte Bauhauskultur in all ihren Facetten einzutauchen.

Bauhaus weltweit

Das Bauhaus gilt als eine der wichtigsten kulturellen Errungenschaften des 20. Jahrhunderts. Die weltbekannte Schule für Gestaltung hat unser Verständnis für Funktionalität und Gestaltung nachhaltig geprägt.

Die Laubenganghäuser in Dessau in der Siedlung Törten werden noch heute gerne bewohnt.

Internationale Architektur ist heute ohne das Bauhaus kaum vorstellbar. Man denke etwa an die Weiße Stadt von Tel Aviv oder die Van-Nelle-Fabrik in Rotterdam, die ebenso wie das Bauhausgebäude, die Meisterhaussiedlung und die Laubenganghäuser in Dessau-Roßlau zum UNESCO-Weltkulturerbe der Moderne gehören.

Der Kultusminister des Landes Sachsen-Anhalt Rainer Robra freut sich über das Bauhaus-Jubiläum in Dessau.

Mit dem Bauhaus sind die Namen herausragender Architekten, Künstler, Handwerker und Gestalter wie Walter Gropius, Oskar Schlemmer und Wassily Kandinsky verbunden. Mit ihren Ideen und ihrem Schaffen beeinflussten sie maßgeblich das Verständnis von Architektur und Design weltweit.

Der Eingang zum Bauhausgebäude in Dessau ist ein beliebter Treffpunkt für Besucher und Studierende.

Bauhaus: Material, Ästhetik, Substanz

Vor genau einhundert Jahren zog das Staatliche Bauhaus von Weimar nach Dessau. In Anhalt, dem Silicon Valley der zwanziger Jahre, begann für die Schule die dynamischste Zeit, die Hinwendung zur Industrie und die Neupositionierung unter dem Motto „Kunst und Technik – eine neue Einheit“. Am 04. Dezember 1926 eröffnete das Bauhausgebäude von Walter Gropius mit seiner markanten Vorhangfassade und wurde zu einem gebauten Manifest einer Gestaltungs- und Bildungsrevolution. Heute gilt es als das Symbol für die „weiße Moderne“ schlechthin. Die Stiftung Bauhaus Dessau feiert das Jubiläum sechzehn Monate lang unter dem Motto „An die Substanz“.

Die Direktorin der Stiftung Bauhaus Dessau Frau Dr. Barbara Steiner weist auf die vielfältigen Aufgaben zur Pflege und dem Erhalt des Bauhausgebäudes hin.

Inhaltlicher Schwerpunkt ist die Materialität, also der Einsatz und Umgang mit alten und neuen Materialien wie Glas, Beton und Metall in der Bau-, Technik- und Kulturgeschichte als Erbe des Bauhauses. Gleichzeitig werden Fragen nach neuen Potenzialen in der Baubranche vor dem Hintergrund gegenwärtiger ökologischer Herausforderungen gestellt.

Das Stahlhaus in der Siedlung Törten wurde letzten Endes als Bauidee nicht weiterverfolgt.

Das Bauhaus in Dessau-Roßlau

Auf dem Gebiet Sachsen-Anhalts, in dem das Bauhaus von 1925 bis 1932 in Dessau seinen Sitz hatte, befindet sich heute die größte Anzahl authentischer Zeugnisse der Bauhaus-Architektur. Dessau-Roßlau kann eine Vielzahl von Bauhausgebäuden vorweisen. Dazu gehören die bereits als UNESCO Weltkulturerbe ausgezeichneten Bauten: das Bauhausgebäude und die Meisterhaussiedlung, 1926 nach den Entwürfen des ersten Bauhausdirektors Walter Gropius errichtet, und die Laubenganghäuser (1929-1930) des zweiten Bauhausdirektors Hannes Meyer. Hinzu kommen die Siedlung Törten mit dem Konsumgebäude (1926-1928), das experimentelle Stahlhaus (1926-1927) nach Entwürfen der Bauhäusler Georg Muche und Richard Paulick sowie das Restaurant Kornhaus von Carl Fieger (1929-1930).

Das historische Arbeitsamt in Dessau wurde von der Bundesanstalt für Arbeit übernommen, hier soll ein Seminarzentrum entstehen.

Für das in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts neue Phänomen der Massenarbeitslosigkeit und die daraus resultierenden Verwaltungsaufgaben entwickelte Walter Gropius mit dem Arbeitsamt (1927-1929) eine kreative Lösung für eine gänzlich neue Bauaufgabe.

Die Fassade des Bauhaus Museum in Dessau wird bestimmt von Glas und Transparenz.

Bauhaus im Land der Moderne

Mit dem neuen Bauhaus-Museum der Stiftung Bauhaus besitzt das Land der Moderne ein weiteres kulturelles Juwel. Im Museum wird die große Sammlung der Stiftung Bauhaus Dessau umfassend öffentlich gezeigt. Sie ist mit 49.000 Artefakten und Dokumenten nach der in Berlin die zweitgrößte Bauhaussammlung der Welt.

Die Ausstellungsflächen im Obergeschoss des Bauhaus Museums werden Black Box genannt, doch es geht durchaus farbig zu.

Auf rund 1500 m² werden Exponate aus der national wie international einzigarten Sammlung präsentiert und die Geschichte der epochemachenden Schule anhand eines Parcours von miteinander verbundenen Kapiteln nachvollziehbar erzählt. Denn es war die Dessauer Hochschule für Gestaltung, die an einer „industriellen Kultur des praktischen Lebens“ arbeitete und dazu beigetragen hat, dass Bauhausdinge wie Schrifttypen, Textilien, Tapeten und Architekturen heute selbstverständlich in unserer Alltagskultur verankert sind. Seit der Gründung der Stiftung Bauhaus Dessau 1994 entwickeln die Stiftung und die Stadt Dessau-Roßlau gemeinsam mit den ortsansässigen Wirtschafts-, Kultur- und Touristikpartnern Projekte, Veranstaltungen und kulturtouristische Angebote, die von den Gästen sehr gut angenommen werden. 

Das Gartenreich Dessau-Wörlitz ist eine Wunderwelt aus Parks, Schlössern und Gewässern.

Gartenreich Dessau-Wörlitz und Bauhaus

Nach so viel beeindruckender Architektur aus Stein, Glas, Beton und Metall empfiehlt sich ein Ausflug ins nicht minder bedeutende UNESCO-Welterbe Gartenreich Dessau-Wörlitz. Nicht nur innen, sondern auch außen lockt hier die Hochkultur. Sachsen-Anhalt bietet einige der schönsten Parks und Gärten Deutschlands, die im Netzwerk „Gartenträume – Historische Parks in Sachsen-Anhalt“ vereint sind.

Schloss Wörlitz ist ein Klassizismus-Gebäude in Reinkultur.

Einen Spitzenplatz nimmt das UNESCO-Weltkulturerbe Gartenreich Dessau-Wörlitz ein, das berühmt ist für seine Kanäle und Brücken, Schlösser und Tempel in einer großartigen Kulturlandschaft der Aufklärung. In diesem Jahr feiert die Kulturstiftung Dessau-Wörlitz das Jubiläum „25 Jahre UNESCO-Welterbe“.

Dr. Anette Froesch, Abteilungsleiterin Schlösser und Sammlungen, erläutert die Veranstaltungen zum Jubiläum “25 Jahre Welterbe Gartenreich Dessau-Wörlitz”.

Ein Vierteljahrhundert ist inzwischen vergangen, seitdem das Gartenreich Dessau-Wörlitz zum Welterbe der Menschheit ernannt wurde. Das Landesverschönerungsprogramm des Fürsten Franz von Anhalt-Dessau (1740 -1817) erfuhr damit mehr als 200 Jahre nach seiner Entstehung auch internationale Würdigung.

Schloss Oranienbaum war der Sommersitz der Fürstin Henriette Catharina, Gemahlin des Fürsten Johann Georg II. von Anhalt-Dessau.

Anlässlich des Jubiläumsjahres lädt die Kulturstiftung Dessau-Wörlitz ein, die Vielfalt, Schönheit und den Ideenreichtum des Gartenreichs neu zu entdecken. Und ganz ohne Bauhaus geht es im Gartenreich auch nicht: Das barocke, ab 1683 errichtete Schloss Oranienbaum zeugt von einer äußert wechselvollen Geschichte, die Spuren der Zeit sind deutlich bis in die Bauhausära nachweisbar.

Robert Hartmann, Abteilungsleiter Baudenkmalpflege Kulturstiftung Dessau-Wörlitz, freut sich über die Restaurierung der Scheper-Fassungen in Schloss Oranienbaum.

Zum 100-jährigen Jubiläum des Bauhauses in Dessau wurde diese Zeitschicht wieder sichtbar gemacht. Der Bauhausmeister Hinnerk Scheper (1897–1957) hat in den 1920er Jahren im Auftrag des damaligen Landeskonservators Farbfassungen für die Ausstellungsräume im Schloss Oranienbaum entwickelt.

Die heute noch in fünf Räumen erlebbaren Farbsituationen sind in Deutschland wohl die letzten noch existierenden Fassungen aus dem gestalterischen Schaffen Hinnerk Schepers. 

Bauhaus: Tempel und Leuchtturm der Moderne

Persönlichkeiten der heutigen Kulturszene betonen die große Leuchtkraft des Jubiläums 100 Jahre Bauhaus Dessau. Marion Ackermann, Präsidentin der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, sagt: „Das Dessauer Bauhausgebäude ist eine Ikone der Architektur. Das Jubiläumsprogramm geht der Moderne auf den Grund, untersucht den Umgang mit Materialien, was für das historische Bauhaus schon ein großes Thema war.“

Staatsminister Rainer Robra, Chef der Staatskanzlei und Minister für Kultur des Landes Sachsen-Anhalt, betont: „Das Bauhaus war ein Ort des Experiments und des Neuen, ein Ort des künstlerischen wie gesellschaftlichen Aufbruchs. Als Leuchtturm der Moderne hat es nicht nur Sachsen-Anhalt nachhaltig geprägt. Seine Strahlkraft verdankt das Bauhaus nicht zuletzt einem Netzwerkgedanken, der auch 100 Jahre nach dem Umzug nach Dessau fortwirkt. Ich freue mich daher, dass die Stiftung Bauhaus Dessau und die Stiftung Preußischer Kulturbesitz unser architektonisches Erbe und dessen Materialien im Jubiläumsjahr gemeinsam in den Blick nehmen. Diese Befragungen der Substanz betreffen unsere Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft auf vielen Ebenen.“

In der Neuen Nationalgalerie ist ein Schaufenster für das Bauhaus Dessau entstanden. „Wir sind sehr glücklich, dass der Auftakt des Jubiläums in einem Haus stattfinden kann, mit dem uns so viel verbindet. Dies betrifft nicht nur die zwei ikonisch gewordenen Architekturen, sondern auch den Umgang mit der Gebäudesubstanz unter heutigen Bedingungen. Dies betrifft Erhalt, Pflege und Nutzung gleichermaßen“, sagt die Direktorin der Stiftung Bauhaus Dessau,Barbara Steiner.

Highlight-Veranstaltungen 2025 – 2027

Das Gartenreich Dessau-Wörlitz kann man mit einer wundervollen Gondelfahrt über Kanäle und Brücken entdecken.

04.09. – 07.09.2025 Jubiläumseröffnung/Festival: An die Substanz. Bauhaus Dessau 100,
Bauhausgebäude + Bauhaus Museum Dessau + Stadtraum

Ab 26.09.2025 Rundgang Unsichtbares Bauhaus Dessau, Stadtraum Dessau

22.10. – 12.11.2025 Avantgardefilme Nitro –  Silber – Licht, Bauhaus Museum Dessau

04.12.2025 – 31.01.2027 Ausstellung Bakelit – Glasur – Farbe, Bauhaus Museum Dessau

28.03.2026 – 10.01.2027 Ausstellung Glas – Beton – Metall, Bauhausgebäude

28.03.2026 – 27.09.2026 Ausstellung Algen – Schutt – CO2, Ehemaliges Kaufhaus Zeeck

28.03.2026 – 27.09.2026 Ausstellung Ziegel – Shed – Strom, Historisches Arbeitsamt

28.03.2026 – 28.02.2027 Ausstellung Blech – Membran – Bullauge, Stahlhaus

28.03.2026 – 28.02.2027 Ausstellung Lamellen – Pfette – Knoten, Junkers-Lamellenhalle

04.09.2026 – 06.09.2026 Bauhausfest 2026 Salto – Takt – Form, Bauhausgebäude, Bauhaus Museum Dessau, Stadtraum

Die Anhaltische Gemäldegalerie in Dessau ist einen Besuch wert. Sie zeigt unter anderem ein Meisterwerk von Lucas Cranach d. Ä., der Marien-Flügelaltar von 1510 zeigt links und rechts auch die Stifter Friedrich der Weise von Sachsen und seinen Bruder Johann der Beständige.

Das komplette Programm gibt es unter https://bauhaus-dessau.de/an-die-substanz-auftakt/

Alle Informationen rund um den Besuch in Dessau und dem Gartenreich Dessau-Wörlitz gibt es unter https://www.visitdessau.com/ und www.welterbe-gartenreich.de

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Jörg Berghoff

Autor Kurzvorstellung:

Jörg Berghoff führt als freier Autor und Journalist seit 1998 ein Pressebüro für Tourismus, Kultur und Sport. Als Reisejournalist spezialisiert auf Irland, Großbritannien, Europa und Australien. Studium der Kunstgeschichte und Ethnologie, Winzermeister und Buchhändler.

Hinweis: Dieser Beitrag wird regelmäßig von Mitgliedern der Reise-Stories Redaktion wie Heiner Sieger, Gerhard Fuhrmann und Jupp Suttner auf Richtigkeit und Vollständigkeit geprüft. Falls Sie Anmerkungen zu diesem Beitrag haben, kontaktieren Sie bitte direkt hier die Redaktion.

Dieser Beitrag enthält möglicherweise Inhalte, die im Rahmen einer bezahlten Kooperation mit Marken, Hotels oder Partnern entstanden sind.

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